Full text: Germanien in den ersten Jahrhunderten seines geschichtlichen Lebens

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meint, aus Mißbrauch der Freiheit, sondern wegen der weiten 
Entfernung der zerstreuten Gehöfte. Die Männer trugen Waf¬ 
fen, die der Deutsche überhaupt nie ablegte, aber ein heiliger 
Gottesfriede herrschte an geweihter Stätte. Hier wurde unter 
dem Vorsitz eines der Geschlechtsältesten, den die freie Wahl 
31t dieser Ehre berief, über Krieg und Frieden berathen; hier 
wurden die freien Jünglinge mit Schild und Speer Bewehrt 
und als selbstständige Glieder in die Gaugenossenschaft aufge¬ 
nommen; hier kamen die Rechtsklagen zur Entscheidung, welche 
den Tod im Gefolge hatten, wie bei Landesverrätern oder 
Ueberläuferu, welche zur öffentlichen Warnung an Bäumen 
aufgeknüpft wurden, wie bei Feigen oder durch unnatürliche 
Laster Befleckten, welche man in Sumpf und Moor versenkte. 
Alle übrigen Verbrechen, sofern sie von Freien verübt wurden, 
konnten durch Geld und Gut (Wehrgeld), wovon ein Theil 
an die Klagenden, ein Theil an das gemeine Wesen fiel, ge¬ 
büßt werden. Mord wurde ursprünglich der Blutrache der 
Verwandten anheimgegeben, und es blieb ihrem guten Willen 
überlassen, ob sie gegen freiwillige Sühne den Zustand der 
Feindseligkeit (Fehde) aufgeben wollten. Bald aber trat auch 
an bie Stelle der Blutrache das Wehrgeld, und es hing dann 
nicht mehr, wie ehedem, von beut Belieben ber beleidigten 
Familie ab, ob sie sich durch Gelb versöhnen lassen und wie¬ 
viel sie forbern wollte, sondern es bildete sich das allgemeine 
Gesetz aus, daß der Freie durch eine Vermögensbuße vor der 
Rache ber Beleidigten sich sichern könne, unb die Größe bieser 
Geldstrafen war genau vorgeschrieben. Sogar Verbrechen ge¬ 
gen beit Staat konnten in der Folge burch Wehrgeld gesühnt 
werben. Nur der Heerführer mußte nach verlorener Schlacht 
mit dem Tode büßen. Es gab demnach für einen Freien 
keine Leibes- und Todesstrafe mehr, wenn er im Stande war, 
das festgesetzte Wehrgeld zu entrichten. In zweifelhaften Fäl¬ 
len trat Bei Freien ber gerichtliche Zweikampf ein, Bei Liten 
unb Knechten (Schalken) bie Probe bes siebenden Wassers. 
Zu welcher Zeit biese gesetzlichen Bestimmungen in's Leben
	        
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