Die Neugestaltung Deutschlands 1866. 231
und echtnationalen Politik dieses reorganisierte Heer als Waffe dienen
sollte und erfolgreich diente. Die öffentliche Meinung in Preußen
erkannte jetzt, wie sehr König Wilhelm und Bismarck Recht gehabt,
auf einer Verstärkung der Heeresmacht zu bestehen, und wie der
Widerstand dagegen nur auf einer Unkenntnis der großen Pläne beider
beruht hatte. Aber auch der König that einen Schritt des Entgegen¬
kommens, der eine hochherzige und echt konstitutionelle Gesinnung
bekundete. Schon in der Thronrede beim Wiederzusammentritt der
Kammern ward ausgesprochen: „bie Regierung habe mehrere Jahre
lang den Staatshaushalt ohne gesetzliche Grundlage geführt" — aller-
biugs nur in bester Überzeugung und im wahren Interesse des Staates.
Es ward sodann den Kammern ein Gesetzentwurf (das sog. „Jnbem-
nitätsgesetz") vorgelegt, worin an diese das Ersuchen erging, „die
Regierung der Verantwortung dafür, daß der Staatshaushalt in den
letzten Jahren ohne gesetzliche Feststellung eines Etats geführt worden
sei, zu entheben." Das Abgeordnetenhaus entsprach diesem Ersuchen
mit 230 gegen 75 Stimmen. Ein großer Teil der bisherigen Oppo¬
sition (der „Fortschrittspartei") trennte sich von dieser und bildete
eine neue Partei, die „national-liberale", deren Programm lautete:
„die Regierung mit allen Kräften zu unterstützen, so lange dieselbe
eine so eckt nationale deutsch-Politik verfolge."
Im Jahre 1867 trat der Norddeutsche Bund ins Leben. Ein
von ber preußischen Regierung verfaßter, von ben Regierungen ber
anbeut Staaten, bie mit Preußen ben Buitb bilben sollten, gebilligter
Entwurf einer Bunbesverfassung warb einem ans allgemeinen Wahlen
hervorgegangenen „norddeutschen Reichstag" vorgelegt ltrtb von biesent
— mit einigen Abänbernngen, in welche bie Regierungen willigten —
genehmigt, auch ben Einzellanotagen ber betresfenben Staaten unter¬
breitet unb auch von biefen gutgeheißen. Der Verfassung lag berselbe Ge¬
banke zu Gruube, wie ber Reichsverfaffung von 1849, ein erbliches
Oberhaupt, ber jeweilige König von Preußen, eine Volksvertretung,
ber Reichstag, baneben eine Vertretung ber Regierungen, ber Bnnbes-
rat, ausgebehnte Befugnisse der Reichsgewalt in Beziehung auf Heer¬
wesen, Diplomatie, Finanzen, Verkehr u. s. w.
Im Herbste 1867 begann ber erste gesetzgebenbe Reichstag
bes Norbbeutschen Bunbes sein Werk. Durch bas Einvernehmen von
Reichstag und Regierungen kam eine Reihe der wichtigsten Gesetze in
einem dem Zeitbedürfnis entsprechenden Geiste zu stände: eine Ge¬
werbeordnung mit Gewerbefreiheit und Freizügigkeit (Sachsen war
darin vorangegangen); Gesetze wegen Abschaffung bes Paßwesens,