Full text: Lehrbuch der Weltgeschichte für höhere Schulen

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ließen: die westgotische Königstochter Brun Hilde, die Gemahlin Sieg, 
berts von Metz, und ^-redegunde, eine Frau von niederer Herkunft, 
die Chilperich von S o i s s o n s zu seiner Gemahlin erhoben hatte. Frede^ 
guude galt als die Urheberin des gewaltsamen Todes der ersten Gemahlin 
Chilperichs, einer Schwester der Brunhilde, und diese beschloß, nach ger¬ 
manischer Sitte Blutrache zu üben für der Schwester Tod. So entbrannte 
ein Kampf, in welchem durch eine verworrene Kette von Frevel- und 
Greueltaten Chlodwigs ganzes Haus bis auf einen einzigen den Unter¬ 
gang fand. Fredegunde starb eines natürlichen Todes (597); die achtzig¬ 
jährige Brunhilde wurde auf Befehl Chlotars II., des einzigen über¬ 
lebenden Sohnes Chilperichs, zum Tode verurteilt und nach dreitägigen 
Folterqualen, an den Schweif eines wilden Pferdes gebunden, zu Tode 
geschleift (613). Das unter Chlotar II. aufs neue vereinigte Reich wurde 
in der Folge mehrfach geteilt; die Hauptteile waren Neustrien (der 
westliche Teil) mit der Hauptstadt Paris, und Austrasieu (der östliche 
Teil) mit der Hauptstadt Metz. Die ganze Regierung der Merowinger 
bietet^einen traurigen Wechsel von Greueltaten und Schwäche dar, wodurch 
der Sturz des Königshauses vorbereitet wurde. 
§ 33. Zustände im Frankenreicht. 
Die ausgewanderten Deutschen verweichlichten unter dem Einflüsse des 
milderen Klimas ihrer neuen Wohnsitze und der angenommenen Sitten 
der von ihnen überwundenen Völker, während sie in der rauhen Heimat 
fast nur Viehzucht, Jagd und Krieg getrieben und nur inmitten ihres 
Grundbesitzes sich frei und glücklich gefühlt hatten, gewöhnten sie sich all¬ 
mählich auch an den Aufenthalt in Städten und fanden Gefallen an 
früher unbekannten Beschäftigungen. Diese veränderten Lebensverhältnisse 
machten neue Gesetze notwendig; namentlich entstanden allmählich ge¬ 
schriebene Rechtsordnungen, während die Gerichte früher nur nach 
mündlich überliefertem Herkommen entschieden hatten. Die Todesstrafe 
(durch Enthaupten) kam bei den alten Deutschen nur in seltenen Fällen, 
bei Landesverrat, wiederholter Empöruug usw., zur Anwendung; die meisten 
Verbrechen: Mord, Körperverletzung, Diebstahl rc., wurden durch Geld¬ 
strafen, Wergelder genannt, gesühnt, deren Betrag für alle Fälle genau 
festgesetzt war und sich nicht nur nach dem Verbrechen selbst, sondern haupt¬ 
sächlich nach dem Stande und der Nationalität des Verletzten richtete. 
Wer diese Sühne nicht zahlen konnte, wurde der Privatrache überlassen. 
Das Gericht wurde öffentlich, auf den sog. Malstätten, gehalten, großen, 
freien Plätzen, die gewöhnlich mit Linden besetzt waren. 'Das Richteramt 
war an die von dem König über die einzelnen Gaue eingesetzten Grafen 
übergegangen, denen sieben aus den Gemeindeältesten gewählte, wegen ihrer 
Gesetzeskenntnis besonders angesehene Leute, Urteilsfinder, später
	        
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