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Die Kämpfe um Deutsch-Südwestafrika.
Mit 4 Abb.
Von allen unseren überseeischen Besitzungen
konnte Südwest, wie es unsere Afrikaner kurz
nennen, bei oberflächlicher Betrachtung wohl als
die widerstandsfähigste erscheinen, und es hat des¬
halb in weiten Kreisen schmerzliche Überraschung
ausgelöst, als dieser schon mit so viel edlem deut¬
schem Blut getränkte Boden in Feindeshand fiel,
zwar erst nach ruhmreichem Widerstande, aber
doch verhältnismäßig rasch. Dem Kenner der
Verhältnisse freilich konnte der einstweilige Ver¬
lust Südwestafrikas nicht unerwartet kommen.
Tie feindliche Übermacht war zu erdrückend groß,
die Hilfsmittel d er vom Mutterlande abgeschnit¬
tenen Kolonie waren zu kärglich, und vor allem
damit eine Ausgabe vorgeschrieben, deren Er¬
füllung vou vornherein unmöglich war. Wenn
sie sich trotzdem fast ein volles Jahr zu halten
vermochte, so gereicht ihr das zur höchsten Ehre.
[Wirtschaftlich erschien das Schutzgebiet dem
feindlichen Ansturm zunächst gewachsen und eine
Aushuugeruugsgesahr nicht zu bestehen, da zwei
der wichtigsten Nahrungsmittel, Fleisch und
Milch, vorhanden waren, des großen Wildreich¬
tums gar nicht zu gedenken. Aber später stellten
sich doch große Schwierigkeiten heraus. Infolge
des Krieges und des feindlichen Vorrückens lag
die ganze Farmwirtschaft brach, die Vorräte wa¬
ren bald ausgezehrt oder mußten beim Rückzug
Ein Sandschlitten, rote er im Küstengebiet Deutsch-Südwestafrikas vielfach zum Transport von Waren über
Land int Gebrauch ist. Nach einer Tonzeichnung von R. Oeffinger.
fehlte es im Gegensatz zu Ostafrika an unbedingt
zuverlässigen Eingeborenentruppen.
Am 7. und 8. August 1914 wurde in Süd-
west mobil gemacht. Ten Kern der deutschen
Streitmacht bildete die ständige Schutztruppe, die
in 9 Kompagnien, 3 Batterien und einige an¬
dere Formationen gegliedert war. Mit Recht ha¬
ben unsere Südwestafrikaner von jeher für eine
ganz vorzügliche Truppe gegolten, viele der Leute
hatten schon den Herero-Feldzug mitgemacht und
sich dabei an das südafrikanische Klima und an
die eigenartige Kampfesweise in wasserlosen Wü¬
sten gewöhnt. Oberbefehlshaber war der tüchtige
Oberstleutnant von Heydebreck; nach seinem Tode
folgte ihm als dienstältester Offizier der bewährte
Major (später Oberstleutnant) Franke. Zu den
Angehörigen der Schutztruppe kamen noch in an¬
nähernd gleicher Zahl Freiwillige, sowie die
Mannschaften des Beurlaubtenstandes. Aber oas
kleine Heer sollte ein Land von 835000 qkm
gegen zehnfache Übermacht verteidigen, und so
tapfer und geschickt sie es auch tat, war ihr doch
vernichtet werden, und so entstand empfindlicher
Getreidemangel, der schließlich dazu führte, daß
die Pferde der Schutztruppe infolge des Fehlens
von Hafer nicht mehr bei Kräften gehalten wer¬
den konnten und so die letzte Möglichkeit eines
erfolgreichen Durchbruchs schwand.
Botha hat schließlich nicht weniger als
55—60000 Mann aufbieten müssen, um unsere
kleine Schutztrupppe niederzuringen. Den Kern
seiner Streitfrage bildete die englische Besat¬
zungstruppe Südafrikas, die im ganzen aus
6888 Köpfen bestand, also allein schon der deut¬
schen Schutztruppe überlegen war. Die Haupt¬
macht setzte sich aber aus berittenen Milizen der
südafrikanischen Union zusammen. Diese Söld¬
linge waren eine recht bunt zusammengewürfelte
Gesellschaft, denn zwischen dem Auswurf Süd¬
afrikas befanden sich auch gute, mit Gewalt zum
Waffendienst gepreßte Burenelemente. Die
Mannszucht ließ von allem Anfang an viel zu
wünschen übrig, um schließlich völlig auszuar¬
ten. Anständige Buren, die auf englischer Seite