Full text: Geschichtliches Lesebuch

6 I. v. Treitschke, Belle Alliance. 
des Heeres gegen einen Angriff Grouchys.zu decken, der in der That 
am Nachmittage auf Wavre heranzog. Die übrigen drei Corps 
nahmen den Marsch auf Chapelle St. Lambert; um 10 Uhr waren 
die Spitzen, um 1 Uhr die Hauptmaste der Armee dort auf den 
Höhen angelangt. Nun teilte sich das Heer. Zieteu mit dem ersten 
Corps marschierte geradeaus, in der Richtung auf Ohain und weiter 
gegen den rechten Flügel der Franzosen. Bülow mit dem vierten 
Corps und dahinter das zweite Corps unter Pirch wendeten sich nach 
links, sndwestwärts, gegen den Rücken der französischen Ausstellung. 
Das schwierige Defile des Lasnethals war zum Glück vom Feinde 
nicht besetzt, der Bach ward überschritten, und gegen 4 Uhr ließ 
Bülow seine Truppen wohl verdeckt in und hinter dem Walde von 
Frichemont antreten: erst wenn eine genügende Macht zur Stelle 
war, sollte der überraschende Vorstoß erfolgen. In tiefem Schweigen 
rückten die Regimenter in ihre Stellungen ein; die Generale hielten 
am Räude des Waldes und verfolgten mit gespannten Blicken den 
Gang der Schlacht. Als einer der Offiziere meinte, der Feind werde 
nun wohl von den Engländern ablassen und, um sich den Rückzug 
zu sichern, seine Hauptmacht gegen die Preußen werfen, da erwiderte 
Gneisenan: „Sie kennen Napoleon schlecht. Er wird gerade jetzt um 
jeden Preis die englische Schlachtlinie zu zersprengen suchen und 
gegen uns nur das Notwendige verwenden." 
Und so geschah es. Noch ehe die Preußen bei dem Walde von 
Frichemont anlangten, zwischen 3 und 4 Uhr, hatte der zweite große 
Angriff der Franzosen begonnen. Ney sprengte mit vierzehn Regi¬ 
mentern schwerer Reiterei aus der Westseite der Landstraße gegen die 
Vierecke der englischen Garde und der Division Alten im Centrum 
heran. Lange wogte der Kampf unentschieden hin und her, aber das 
Fußvolk hielt unerschütterlich ans. Endlich zurückgeworfen zog Ney 
auch die Kavallerie Kellermanns an sich, so daß er jetzt 26 Reiter¬ 
regimenter zu erneutem Angriff heranführte, die größte Reitermaffe, 
welche dies kriegerische Zeitalter jemals an einer Stelle thätig gesehen 
hatte. Der Boden dröhnte von dem Hufschlag von 10,000 Pferden, 
ein Wald von Säbeln und Lanzen bedeckte die Thalmulde, stunden¬ 
lang schwankte das Gefecht, zehn- zwölfmal ward die Attacke gegen 
einzelne Bataillone erneuert. Nochmals behielt die Standhaftigkeit 
des englischen und deutschen Fußvolks die Oberhand. Auch dieser 
Angriff scheiterte, die Schwadronen begannen zu weichen, ein kühnes 
Vorgehen der englischen und hannoverschen Reservereiterei brachte sie
	        
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