Full text: Geschichtliches Lesebuch

228 XV. Maurenbrecher, Die schlesivig-holsteinsche Frage. 
SaUroigf!), auch der Herzog Ernst waren in eifrigster Thätigkeit für 
dieses Endziel. In seinem Eifer für den Angustenburger vergaß 
Herzog Ernst seine sonstige nationale Gesinnung; er bemühte sich in 
Paris und in Wien, seinem Augusteuburger Freunde an beiden Stellen 
die Wege zu ebnen; er arbeitete in Paris, um die Intervention 
Napoleons zu Gunsten des Angustenburgers auf die Beine zu bringen. 
Und doch tauchte wie von selbst schon der Argwohn ans, daß Prenßen 
die Annexion der Herzogtümer für sich anstrebe. Darüber erhitzte 
sich auch der König Maximilian von Bayern einmal sehr lebhaft. 
Er frug den preußischen Gesandten, Herrn v. Arnim, wie es damit 
stände; der Gesandte antwortete wahrheitsgetreu, er wisse nichts 
darüber und glaube auch gar nicht an diese Gerüchte. Da rief König 
Max aus: „Wie kommt es dann, daß diese Gerüchte entstanden sind?" 
Arnim entgegnete recht gut, „weil jeder unbefangene Beobachter doch 
sehen müsse, daß sie der Natur der Dinge selbst entsprächen". Darauf 
ließ der König das weitere Gespräch fallen. Schon etwas früher, im 
November 1863, hatte Herzog Ernst in Wien gegen eine derartige 
Eventualität gewarnt, daß nicht eine Vergrößerung Preußens das 
Ende der schleswig-holsteinschen Bewegung sein dürfte, er, der sich 
sonst gewöhnlich für einen Freund Preußens auszugeben pflegte! 
Ganz sicher war, daß Preußen eine militärische Stellung in 
Schleswig und Holstein fordern mußte, ein größeres Recht, als ihm 
von der Bundesverfassung sonst gegeben war; denn Prenßen hatte den 
Schutz der Herzogtümer zu leisten: das durfte nicht von dem guten 
oder bösen Willen eines neuen Herzogs von Holstein abhängen. Daß 
alle diese Gedankenreihen und Erwägungen schon Ende 1863 die 
preußische Politik erfüllten und leiteten, liegt heute klar vor unsern 
Augen; es ist heute durch ganz unanfechtbare Dokumente erwiesen. 
Zur Zeit war es Bismarck nur möglich, Schritt für Schritt 
Österreich vorwärts zu treiben. Er benutzte als Mittel zu diesem 
Zweck das Toben der aufgeregten Volksmeinung in Deutschland, aber 
auch die Eigenwilligkeit und Thatenlust der Mittelstaaten, die sich 
früher wohl von Österreich hatten leiten lassen, jetzt aber augenschein¬ 
lich durch die Reformprojekte und Experimente Österreichs verwöhnt 
und übermütig gemacht waren: der Hinweis auf diese Verhältnisse 
diente Bismarcks überlegener Diplomatie ganz vortrefflich. 
1) Die Minister von Sachsen, Bayern, Württemberg, Baden und Hessen- 
Darmstadt.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.