IV. v. Sybel, Einwirkung der Julirevolution auf Deutschland. 51
Erbitterung des Wiener Kabinetts zu befahren war. Aber auch das
war gewiß, daß bei der damaligen Weltlage Österreich derselben
praktische Folgen nicht zu geben vermochte, vielmehr Preußens Bei¬
stand bedurfte und dessen Bedingungen annehmen mußte. Sodann
galt es, so schnell wie möglich, ehe die Kriegsgefahr und damit die
Fügsamkeit der Süddeutschen verflog, mit ihnen zum Abschluß zu
kommen, und hiedurch gestärkt, dann Österreich die doppelt preis¬
würdige Bundesfreundschaft Preußens anzubieten.
Alles hing also ab von raschem Entschlüsse und tapferem Mute
des preußischen Kabinetts. Leider aber fehlte unter den vielen treff¬
lichen Eigenschaften Friedrich Wilhelms gerade die eine hier not¬
wendige, Selbstvertrauen zu raschem Entschluß. Es machte ihm
schweres Bedenken, ob es loyal, ob es nicht höchst gefährlich sei,
hinter Österreichs Rücken mit den Südstaaten abzuschließen. Im
Dezember 1830 war er mit sich im Reinen, daß er zuerst mit Öster¬
reich und dann erst mit den Südstaaten unterhandeln müsse. Im
Jannar 1831 ging darauf General von Röder mit dem Vorschlag
nach Wien, für den Kriegsfall drei selbständige Heere aufzustellen, ein
preußisches mit dem 10. Bundescorps am Niederrhein, ein preußisch-
süddeutsches am Main, ein österreichisches am Oberrhein. Für die
Einheit ihrer Operationen würde nicht ein Bundesfeldherr, sondern
wie 1813 ein großes Hauptquartier sorgen. Dies bedeutete, wie man
sieht, die Unterstellung Bayerns und der drei gemischten Bundescorps
unter preußischen Oberbefehl und völliges Absehen von der Bundes¬
kriegsverfassung. Metternich schleppte die Unterhandlung hin, bis er
im März 1831 die italienischen Rebellionen niedergeschlagen hatte,
ohne daß eine französische Kriegserklärung darauf erfolgt wäre; hie¬
durch ermutigt, entließ er Röder mit der Erklärung, nicht drei, sondern
zwei Heere seien zu formieren, ein österreichisches unter Anschluß des
7. und 8., ein preußisches in Verbindung mit dem 9. und 10. Bundes¬
corps; vor allem seien für das ganze Heerwesen die Regeln der
Bundeskriegsverfassung festzuhalten; demnach könne die Wahl eines
Buudesfeldherru zwar zur Zeit noch aufgeschoben werden, werde
später aber unerläßlich sein.
Die Frage war, wie der preußische Monarch diese runde Ab¬
weisung seiner Vorschläge aufnehmen würde. Metternichs Hoffnung,
ihn nicht bloß zu beschwichtigen, sondern zu sich herüber zu ziehen,
beruhte wieder auf dem altbewährten, kläglichen Mittel, der Vor¬
führung des roten Gespenstes. Er übersandte dem Könige durch