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236. Welche Veränderungen hatten die Greuel des Krieges im geistigen
und sittlichen Leben bewirkt?
1. An Stelle frommen Glaubens war der krasseste Aber¬
glauben wieder stärker hervorgetreten [124]:
a) die Soldaten machten sich durch geheimnisvolle
Mittel hieb- und stichfest,
b) die Musketiere schossen mit Hilfe des Teufels gegossene
Freikugeln gegen den Feind, die nie ihr Ziel verfehlten,
c) der Hexen wahn [124] stand in höchster Blüte:
in der Grafschaft Neiße wurden z. B. in elf Jahren
(1640—1651) gegen tausend Hexen verbrannt!
2. An Stelle strenger Sittlichkeit war sittliche Verwilde¬
rung und viehische Roheit im Volke verbreitet:
a) gierige Räubereien und habsüchtige Er¬
pressungen, rohe Grausamkeiten und wilde
Ausschweifungen waren an der Tagesordnung,
b) teuflische Peinigungen und barbarische Martern
preßten aus dem verarmten Volke den letzten Bissen
N a h r u n g, den letzten versteckten Zehr pfennig,
die letzten vergrabenen Schrnucksachen heraus.
3. An Stelle der Selbstachtung und des Nationalgefühles war Ver¬
götterung und Nachäffung alles Fremden im
Volke herrschend geworden:
a) aus dem freien Gelehrten war ein kriechender
Schmeichler geworden, der seinen hohen Gönner
mit schlechten deutschen oder lateinischen Versen bei Fami¬
lienfesten feierte,
b) aus den stolzen, kraftvollen Deutschen war ein
schwächliches, zaghaftes Geschlecht geworden,
das in würdeloser Schmeichelei dem Mäch¬
tigen, in geistloser Stumpfheit dem Elend gegen¬
übertrat.
4. An Stelle des volkstümlichen lutherischenBibel-
deutsch war ein Sprachgemenge in Gebrauch ge¬
kommen, das Teile aller europäischen Sprachen
in sich vereinigte.
237. Auf welche Weise erlitt Deutschland große Verluste an Geld und
Gütern?
1. Durch die fremden Heerführer und Soldaten wanderten un¬
schätzbare Summen an Edelmetall ins Ausland.
2. Durch zunehmende Münzverschlechterung und
Münzfälschung wurde das Geld entwertet :
a) der Kapitalbesitz erlitt unberechenbare Einbuße,
b) der Bodenbesitz fiel tief im Werte und Preise.