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I. Die öderen Gottheiten.
Früher waren dem Dionysos schon von anderen Nymphen
und Göttinnen einige Söhne geboren, z. B. von Aphrodite
der Hymen und Priapus.
So verschieden die Vorstellungen von der Gottheit des Bakchos
waren, unter so verschiedenen Ceremonieen beging man auch desseu
weit verbreitete Verehrung in Griechenland. Auf seinen unauf¬
hörlichen Zügen war der Gott begleitet von einem lärmenden,
wilden Gefolge von Mänaden, anch Bacchä oder Bacchan¬
tinnen genannt, Satyrn, Nymphen und außer diesen von
einem Schwarm von Wald- und Flußgötteru; auch fehlten Silen
und Pan nicht auf solchen Wanderungen. Mit Thyrsnsstäben
und Fackeln und unter dem Schalle der Pauken, Flöten und Cymbeln,
singend und jauchzend stürmte der rauschende Zug dahin. Anfangs
war auf dem Berge Parnaß der Hauptsitz der wilden Bacchusfeier,
die sich nach und nach über ganz Griechenland verbreitete; solche
fand jedoch nur alle drei Jahre einmal statt. Eine zahllose
Menge von Jungfrauen, Frauen uud Männern, tanzend und
schwärmend, trunken von feurigen Weinen, verschmähten die nüch¬
ternen Sitten und verbrachten viele Tage und Nächte auf den
waldigen Höhen. Von Griechenland verbreitete sich diese Feier
nach Italien, wo jedoch das Fest zu einer solchen Zügellosigkeit
ausartete, daß es vom Senate streng verboten wurde. Die Feste
selbst hießen Bacchanalien, die teilnehmenden Jungfrauen oder
Frauen Bacchantinnen, die Männer Bacchanten.
Der Weinstock, Ephen und Granatbaum waren diesem Gotte
geheiligt, und Böcke und Schweine wurden ihm geopfert.
Die Abbildung des Dionysos war außerordentlich mannig¬
faltig und verschieden. Besonders aber sind zwei Vorstellungen
zu unterscheiden, deren erstere man fälschlich aus orientalischer
Quelle ableitet und mit dem Namen des „Indischen Bakchos"
belegt hat, obgleich sie rein griechisch ist. Ihr gemäß erscheint
er als ein bejahrter Mann, von ehrwürdigem Ansehen, mit langem
Barte, einer Stirnbinde und im weiten, bis auf die Füße herab-
walleudeu Gewände; in dieser Vorstellung ist Dionysos aufgefaßt