Full text: Der Olymp oder Mythologie der Griechen und Römer

Hermes oder Merkur. 
131 
flöte vorblies, in so tiefen Schlaf versenkte, daß, eins nach dem 
anderen, alle feine hnndert Angen zufielen. Kaum war das letzte 
geschloffen, als Hermes den schlafenden Wächter tötete und die 
Jo entführte. Die Angen des Argos soll dann Hera in den 
Schweif ihres Pfaues versetzt haben. Diese That rechnete Zeus 
dem Hermes sehr hoch an, und der „Argostöter" wurde fortan 
fein ihn sehr ehrender Beiname. 
Wie mannigfaltig aber auch diese Züge von List und Ver¬ 
schlagenheit bei Hermes fein mögen, so bezeichnen sie doch keines¬ 
wegs fein ganzes Wesen. Seine Klugheit zeigt sich auch als 
Erfindsamkeit; nicht nur dem Apollon, auch dem thebanischen 
Sänger Amphion verfertigte er die Laute, und dem Palamedes 
soll er die Buchstabenschrift gelehrt haben; Besonders aber tritt 
er überall, wo es gefahrvolle, Klugheit ebenso sehr wie Mut in 
Anspruch nehmende Abenteuer auszuführen giebt, als Geleiter der 
Helden auf, nicht selten, wie bei Herakles, als Genoß der Athene. 
Auch verirrte Reifende geleitete er, und Verbannten war er ein 
stets bereiter Helfer im fremden Lande und unter feindlichen Menschen. 
Seinem Vater Zeus leistete Hermes im Gigantenkriege gute 
Dienste, rettete denselben sogar aus der Gewalt des Typhon, 
erzeigte sich überhaupt gern den Göttern gefällig, strafte aber auch, 
wie sie, diejenigen mit unbeugsamer Strenge, wie sie den Göttern 
eigen ist, die ihm zu nahe traten, wie das Beispiel des Valtos 
beweist, den er dafür, daß er dem Apollon den Räuber feiner Rinder 
verriet, in einen Stein verwandelte. 
Unter den ihm von verschiedenen Müttern geborenen Kindern 
find die Laren, Töchter der Lara, welche als römische (Schutz- 
gottheiten der Familien in den Häusern ihren Sitz und Altar 
hatten und große Verehrung genoffen, die berühmtesten geworden. 
Eine wunderliche Mythe erzählt, daß er mit der Aphrodite 
den Hermaphroditus gezeugt habe, der halb Mann, halb 
Weib gewesen fei, — vielleicht die bildliche Darstellung der Idee, 
daß in einem Jünglinge die jugendlich-frifche Anmut (Venns) mit der 
Gewandtheit (Merkur) vereinigt fei. 
9*
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.