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II. Die unteren Gottheiten.
Die Alten glaubten, daß Iris die Wolken mit dem Wasser
aus den Seeen und Flüssen speise, damit diese es im Regen
wieder auf die Erde, dieselbe befruchtend, herabträufeln lassen.
Daher war ihre Erscheinung dem Landmanne, als Zeichen eines
erquickenden Regens, willkommen, und er verehrte die Göttin
gern, die sich ihm im schönfarbigen Bogen am Himmel kennt¬
lich machte.
Sie wurde als ein schönes Mädchen mit bnntsarbenen Flü¬
geln, im bunten Gewände, auf einem Regenbogen daherfahrend,
oder einen Nimbus über dem Kopfe, der alle Farben des Regen¬
bogens spiegelt, abgebildet. In dem gewählten Bilde (s. tab. XIX)
„erscheint sie beflügelt und bis auf die Füße mit einem
„weiten Gewände bekleidet, in der einen Hand den Botenstab,
„wie ihn Hermes (Merkur) auch trägt, und in der anderen
„Hand einen glänzenden Helm, um die glänzende Erscheinung
„des Regenbogens dadurch anzudeuten."
Kos ober Jlurorct; Lucifer.
(Siehe Abbildung XX.)
Eos (Aurora), d. h. die Morgenröte, auch Hemera, d. H.
Tagesgöttin genannt, war eine Tochter des Titanen Hyperion —
der den hoch über die Erde dahinschreitenden Gott der Sonne
bedeutet — und einer Titanin Theia, und wnrde für eine Schwester
des Helios und der Selene, d. h. der Sonne und des Mondes, ge¬
halten. Sie ist das rosige Frühlicht des noch beim Sternenscheine
anbrechenden Tages, mit dem die Dämmerung schwindet. Bei
ihrem Erscheinen erbleichen die Gestirne und Selene (der Mond),
aber ihr folgt auch eilend Helios (das Gestirn der Sonne; s. S. 102).
Einige Dichter erzählen, daß sie mit rosenfarbenen Fingern den
Schleier der Nacht aufhebe, und auf einem mit weißen Rossen
bespannten Wagen aus dem Oceane im Osten emporsteige, um
auf ihrer Fahrt die Erde zu erleuchten; andere sagen: Sie bediene
sich dazu des Pegasus (s. d. Abbildung, tab. XIV), eines ge-