Full text: Geschichte der neueren Zeit (Teil 2)

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b) die Stände hatten bei politischen und finanziellen Ver¬ 
legenheiten der Kaiser die Abtretung wichtiger 
Vorrechte erzwungen: sie hatten sich freie Bahn zu 
selbständiger Entwickelung geschaffen, 
c) das ganze Volk in allen seinen Schichten und Ständen 
war von nationalen Empfindungen und G e - 
danken erfüllt: 
„Unser König soll denken, daß er ein König und ein 
Deutscher ist“ (Ulrich von Hutten). 
3. Im wissenschaftlichen Leben war mit der alten 
Form gebrochen worden: der humanistische Indivi¬ 
dualismus war zum Durchbruch gekommen: 
a) die Scholastik [8] hatte vergeblich versucht, ,,d i e 
Summe der abergläubischen Bildung in das 
wohlgeordnete System einer umfassenden 
Weltanschauung zusammenzuschließen, die in dem 
Erkennen Gottes gipfelte“, 
b) der Humanismus brachte Leben und Bewegung 
in diese starre Form [45, 47], 
4. Im sozialen Leben war die mittelalterliche Ge¬ 
sellschaftsordnung überwunden: der Feudalismus hatte 
städtischer Kultur, die Naturalwirtschaft der Geld- 
Wirtschaft weichen müssen: 
a) die fürstliche Gewalt rang nach Selbständig¬ 
keit, 
b) das Rittertum mit seinem Turnierwesen und seinem 
Frauendienst war in Verfall geraten, 
c) das Bürgertum hatte das wirtschaftliche System auf 
eine neue Grundlage gestellt: auf das Kapital, 
d) das Bauerntum war von dem allgemeinen Streben nach 
Lebensgenuß und der durch die Geldwirtschaft 
angebahnten Gleichberechtigung mit den übrigen 
Ständen ergriffen. 
c) Urheber und Ausbruch der Reformation. 
64. Inwiefern bildete der Ablaßhandel die Veranlassung zum Ausbruche 
der Reformation? 
1. a) Die Ablaßlehre erkannte neben der vollkommenen 
Reue (contritio) auch die „unvollkommene“ (attritio) 
als zur Sündenvergebung ausreichend an und knüpfte die 
Aufhebung der zeitlichen Strafen der Sünde an 
materielle Leistungen (Kauf von Ablaßzetteln) — 
b) Luther stellte dieser Auffassung in seinen Thesen die 
Lehre von der wahren Reue und Buße als Haupt¬ 
sache gegenüber. 
2. a) Der Kurfürst von Mainz und sein Beauftragter Tezel 
faßten den Ablaß rein als Geldgeschäft auf:
	        
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