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b) die deutschen Fürsten und Stände hatten ihre Ver¬
hältnisse unter völliger Auslassung des Papstes
geregelt,
c) das deutsche Volk hatte von der Einberufung eines
Konzils selbst Abstand genommen.
2. In wenigen Jahrzehnten waren bisherige Grundbe¬
griffe gestürzt worden:
a) die erhabenste Pflicht und das vornehmste Recht des
Reiches war bisher der Schutz der allmächtigen
Kirche: das evangelische Bekenntnis widersprach ihr
von Grund aus,
b) das römische Reich und der römische Kaiser¬
titel bestanden noch: es war aber fast nichts davon ge¬
blieben als der leere Begriff als Zeuge der Ver¬
gangenheit.
98. Inwiefern war das zu Augsburg geschaffene Friedens werk ein recht
unvollkommenes ?
Die Protestanten hatten nicht die vollständige Frei¬
gabe der Religion erhalten:
1. Die Freiheit des Bekenntnisses blieb auf die Obrig¬
keiten beschränkt.
2. Der „geistliche Vorbehalt“ kürzte dieses Recht noch
durch Ausschluß der geistlichen Obrigkeiten.
3. Der von Ferdinand erwirkte Nebenabschied zur Sicherung
der religiösen Freiheit protestantischer Untertanen geist¬
licher Gebiete war wertlos, da er weder in den Reichs¬
abschied aufgenommen noch dem Kammerge¬
richte übergeben war.
99. Inwiefern war der Anspruch auf den geistlichen Vorbehalt geschicht¬
lich unbegründet?
1. Die alten Kaiser hatten die Kirche nicht allein aus Frömmigkeit,
sondern auch zu weltlichen Zwecken gefördert [I, 233,
234].
2. Die der Kirche aus Reichsgut im Interesse des Reiches
verliehenen Rechte und Besitzungen blieben dem Reiche
jederzeit pflichtig.
3. Der vom Reiche zugelassene Bruch mit der Vergangen¬
heit in religiöser Hinsicht hätte demnach billigerweise
auch auf das geistliche Gut ausgedehnt werden müssen.
g) Wirkungen und Bedeutung der Reformation.
100. Inwiefern war das Reich zu einer starken außerdeutschen Politik
unfähig?
1. Es fehlte eine einheitliche Vertretung dem Auslande
gegenüber: eine selbständige Reichsgewalt gab es
lange schon nicht mehr.