Full text: Friedrich der Große

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lang die Flöte, unterzeichnete die bereitliegenden Briefe, trank 
Kaffee, unterhielt sich mit Künstlern, besichtigte Bauten und 
Gartenanlagen oder ließ sich von seinem Vorleser Auskunft geben 
über neuerschienene Bücher. Die Zeit von vier bis sechs Uhr mar 
der eigenen schriftstellerischen Tätigkeit des Königs gewidmet. 
Von sechs bis sieben Uhr mußten Künstler ein Konzert aufführen, 
bei dem Friedrich oft selbst mitwirkte. Eines Tages stellte der 
Kapellmeister Qnanz dem Könige einen seiner Schüler vor, der 
schon meisterlich Flöte spielte. „Der Junge bläst fast so gut wie 
ich", sagte Friedrich, der oft fürchtete, mit seiner Kunst in ©chatten 
gestellt zu werden. „Warum hat Er mir diese Passagen nicht 
beigebracht?" „Verzeihung, Euer Majestät", versetzte Quanz, 
„der Junge hat auch zwei Lehrmeister gehabt." — „So, zwei?" 
— „Jawohl, mich und das spanische Rohr." Der König lächelte 
und begab sich in heiterer Stimmung zu feiner Gesellschaft zurück. 
Der Tag schloß mit einer Abendmahlzeit, bei der sich der König 
oft bis nach Mitternacht in geistreicher Liebenswürdigkeit mit 
feinen Frennden unterhielt. Die Sprache in dieser Abendgesell¬ 
schaft war die französische, wie sich denn überhaupt Friedrich der 
Große, der sonst ein echt deutscher Fürst war, darin undeutsch 
zeigte, daß er für die französische Sprache und Dichtkunst stets 
eine besondere Vorliebe hegte. 
Die regelmäßige Lebensweise des Königs wurde nur dann 
gestört, wenn er im Mai seine Reisen in die Provinzen begann, 
um die Truppen zu mustern und zugleich in der bürgerlichen 
Verwaltung überall nach dem Rechten zu sehen. Hohe und niedere 
Beamten mußten da Rechenschaft über ihre Tätigkeit ablegen. 
Auch Geschäftsleute und Handwerker sah er gern um sich, um 
sich bei ihnen nach den Gewerbsverhältnissen und dem Gange 
des Handels zu erkundigen. 
Auf seinen Reisen war der König gegen jedermann freund¬ 
lich und leutselig. Als einst die Pferde gewechselt wurden, drängte 
sich ein altes Mütterchen dicht an den königlichen Wagen. „Was 
wollt ihr?" fragte Friedrich. — „Nur Euer Majestät Angesicht 
sehen, sonst nichts weiter." Der König gab ihr einige Goldstücke 
mit den Worten: „Seht, liebe Frau, ans diesen Dingern könnt 
ihr mich ansehen, so oft ihr wollt." 
Freimütige Reden nahm der König nicht übel, auch ein 
dreistes Wort ließ er sich gefallen, wenn es nur treffend war. 
Einen Soldaten, dessen Gesicht mehrere tiefe Narben hatte, 
fragte er bei einer Musterung: „In welcher Bierschenke hast du 
dir denn diese Hiebe geholt ?" „Bei Kollin, wo Euer Majestät 
die Zeche bezahlt haben", war die Antwort. Der König lachte und 
sagte: „Bravo! Er ist Offizier." „Mit oder ohne Ausstattung?" 
rief der Husar dem fortreitenden König nach. Friedrich verstand 
ihn, kehrte sich um und sagte lächelnd: „Mit!" 
Einst sagte Friedrich zu Seydlitz, der bei Roßbach glänzende
	        
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