266 Das Raubritterwesen.
forderten, durch Verträge mehr und mehr die Hände zu binden. Die einen
führten zur Entschuldigung den Landbau an, welcher durch die Gestellung
in den Roßdienst gestört werde, und so hatten dann manche Geschlechter
durch Vertrag das Recht erworben, daß sie nicht mehr vor der Heuernte,
andere, daß sie nur bis Fastnacht zur Heeresfolge aufgeboten werden sonnten!
Andere beriefen sich zu ihrer Entschuldigung auf den steigenden Wert der
Streithengste ober auf die Kostbarkeit der Rüstung. Der wahre Grund
war meist ein ganz anderer. Übermäßiger Aufwand hatte den Adel arm
gemacht, er konnte keine großen Turniere mehr feiern. Mehr und mehr
lösten sich die Einzelnen aus dem Verbände edler Genossen und stellten sich
einsam auf sich selbst, eine immer größere Anzahl der Ritter kam auf den
Gedanken, mit Hilfe des Faustrechts das Verlorene wieder zu erwerben.
Schon die Dichter des 13. Jahrhunderts hören wir über die Räubereien
der Ritter klagen. Ulrich von Lichtenstein spricht von dem Überhandnehmen
der Räubereien in Ostreich und Steiermark nach dem Tode Herzog Fried¬
rich des Streitbaren. Charakteristische Bilder aus dem Raubritterleben
bietet ein Gedicht des 13. Jahrhunderts, welches unter dem Titel „Meier
Helmbrecht" die Erlebnisse eines Bauernsohnes erzählt, der sich schämte, ein
Bauer zu sein. Er geht zu einer Ritterburg und wird ein Raubritter.
Mit neun Spießgesellen gerät er in die Hand der Schergen. Dem zehnten
den Tod zu erlassen, war ein Recht des Henkers, und dieser zehnte war
diesmal Helmbrecht, doch wurde er geblendet und eine Hand ihm abgehauen.
Nach einem Jahre gerät der Blinde in die Hände von Bauern, die er
früher beraubt hat, und diese hängen ihn an einen Baum. So konnte ein
Räuber, auch wenn er ein Adliger war, damals enden. Auch gerädert
wurden bereits im 13. Jahrhundert hin und wieder die Schnapphähne.
Manchen mächtigen und auf uukzwinglichen Burgen wohnenden Raubrittern
konnte man freilich nicht leicht beikommen.
Am schlimmsten trieben die adligen Räuber ihr Unwesen zur Zeit des
Interregnums. Die Geschichte des unmittelbar auf die Hohenstaufen folgenden
Königs Wilhelm von Holland bietet ein lehrreiches Beispiel. Mit dem
besten Willen, das Wohl des Landes zu fördern, ausgerüstet, unterstützte
er die Bemühungen der Städte, die sich zu dein sogenannten rheinischen
Städtebunde znfammengethan hatten, um mit vereinter Macht gegen die
neben ihnen wohnenden hartnäckigen Friedensbrecher vorzugehen. Im Jahre
V255 brachte er einen neuen Landfrieden zustande, aber trotz aller schönen
Worte blieb es beim alten. Nach seinem Tode nicht nur, sondern noch
bei seinen Lebzeiten that jeder, was er wollte. Während er bald nach dem
Städtetage von Oppenheim, wo er mit den Vertretern von gegen 100 Städten
über die Not des Landes und über die für den Frieden zu treffenden Ma߬
regeln beraten hatte, nach den Niederlanden heimkehrte, ward seine Gemahlin,
die sich mit dem Hofrichter, dem Grafen Adolf von Waldeck, nach dem
Schlosse Trifels begeben wollte, von einem Raubritter angefallen, ihrer
Kostbarkeiten beraubt und mit dem Grafen nach der Burg Rietberg ge-