£te Lyrik. 365
fachen Formen. Bei den Ioniern wurde vorzugsweise die dem Epos in
der äußeren Form sowohl als bezüglich des Inhalts nahestehende Elegie
gepflegt — sie bedient sich meist des ans dem epischen Hexameter abge¬
leiteten Distichons und singt von Krieg und Schlachten, wie wir dies bei
der Geschichte der messenischen Kriege von Tyrtäns gehört haben, oder sie
mahnt, um an Solon zu erinnern, an die Erfüllung der Bürgerpflicht.
Mitteu iu die staatlichen Kämpfe zwischen Aristokraten und Demokraten
führt auch die au deutsche Spruchdichtung erinnernde Poesie des Theognis,
welcher bei diesen Bewegungen aus seiner Vaterstadt Megara vertrieben
worden war und seinen Besitz an die Volkspartei verloren hatte, auch
sind bezüglich der Form und der Beziehung zu politischen Thatsachen
manche Epigramme des Simonides von Keos hierher zu rechnen: das $)//- ijH
bekannteste feiert die Helden von Thermopylä, im Lapidarstil dem Wan¬
derer znrnfend: „Fremdling, melde den Lacedamoniern, daß wir hier liegen
gehorsam ihren Satzungen". Mehr unserem Begriffe von Elegie als
einem wehmutsvollen Gedichte entsprechen die Lieder des Mimnermns -/'s :
(um 600) mit ihren Klagen über die Kürze des menschlichen Lebens
und die Entbehrungen des Alters.
Eine zweite Form der griechischen Lyrik, aber der gleichen Zeit wie
die Elegie und ebenfalls vorzugsweise dem jonischen Stamme angehörig,
ist die jambische Poesie des Archilochus (um 700), Hipponax und Simoni¬
des von Amargos; hämische Satire, die ihren Stachel bald gegen einzelne,
bald gegen ganze Klassen der Gesellschaft richtet, ist ihr besonderes Kenn- in.. ^
zeichen. Wiederholt begegnen wir in diesen Gedichten der Tierfabel als
einer Einlage (Episode); aber dieselbe hat sich auch als selbständige jam¬
bische Dichtung in der sogenannten äsopischen Fabel entwickelt. Die Per¬
son des Äsop freilich scheint nie existiert zu haben, sondern sein Name
die Personifikation der Dichtungsart zu sein, wie dies auch von manchen
bezüglich Homers in seinem Verhältnis zur epischen Poesie behauptet wird,
— die äsopischen Fabeln, die wir besitzen, sind vielmehr eine poetische Be¬
arbeitung des überlieferten Fabelschatzes durch Babrios, dessen Zeit sichv-'Mru^
nicht mit Sicherheit bestimmen läßt.
Während diese Formen der griechischen Lyrik nach unseren Begriffen
mehr dem Lehrgedichte und der Spruchdichtung, also einer Abart der
epischen Poesie angehören, erscheint auch uns als ächte Lyrik die dritte
Form, welche als melische Poesie, d. H. als Poesie des Lieds bezeichnet
wird. Sie ist eng verbunden mit der Musik, meist auch mit der Orchestik
(Tanzkunst) und ihre Schöpfungen sind bestimmt teils von einzelnen, teils
(fiifcvi: (sdth