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weder Italiker, noch Gallier oder Hispanier, noch auch Asiaten
oder Ägypter, die das Reich verteidigten und den Ansturm der
Barbaren zurückschlugen, sondern es war in erster Linie die
illyrische Armee und ihre heldenhaften Führer: Claudius (der
Gotenbesieger), Aurelian, Probus, Diocletian u. a. m.
Seitdem mußte das frühere Hauptland des Reiches, Italien,
das bereits seit geraumer Zeit an kultureller Blüte von den
Provinzen des Westens wie des Ostens überflügelt war, auch
hinter den halbbarbarischen illyrischen Landschaften zurück¬
stehen. Die Folge war, daß die Herrschaft von ihm genommen
wurde. Italien trat jetzt aus der Aktivität in den Ruhestand
uud begnügte sich mit den Wolken des Weihrauchs, welche die
Schriftsteller aus Überzeugung oder dem alten Brauche gemäß
ihm streuten.
An hochtrabenden Titeln erfreut sich der Mensch erst, wenn
es mit seinem physischen und geistigen Vermögen abwärts geht,
während er in den Jahren der Kraft und der Zunahme sich au
dem Realen erfreut; mit den Völkern ist es nicht anders.
Bereits tauchte der Gedanke auf, den Sitz der Herrschaft
nach Jllyricum zu verlegen. Es fragte sich nur, nach welchem
Orte.
Von Anfang an war das römische Kaiserreich kein natio¬
nales, sondern ein kosmopolitisches Gebilde gewesen; wenn auch
die ersten Kaiser sich strenge als Römer gerierten uud sowohl
Augustus wie Tiberius es vermieden, die griechische Sprache bei
offiziellen Gelegenheiten zu gebrauchen, obwohl ihnen dieselbe ge¬
läufig war. Von Tiberius wird berichtet, daß er griechische
Ausdrücke, die schon ziemlich eingebürgert waren, gleichwohl lie¬
ber in lateinischer Umschreibung wiedergab, wenn er im Senat
das Wort führte. Er stand eben noch der Generation nahe,
die bei Actium für die Herrschaft Roms gegen den Osten die
Waffen geführt hatte.
Hundert Jahre nachher war dieser Gegensatz bereits ver-