A. Lebensbilder.
1. Kaiser Wilhelm I.
Nach F. v. Köppen. Die Hohenzollern und das Reich. 23. Rogge. Kaiserbüchlein.
Daheim 1888.
1. Die glückliche Kindheit,
a) Das Elternhaus.
Der 22. März des Jahres 1797 war in Berlin ein rechter Frühlings¬
tag. Auf Straßen und Plätzen lag Heller Sonnenschein, Schneeglöckchen,
Veilchen und Hyazinthen, welche dem kronprinzlichen Hause gegenüber auf
schmalen Brettern zum Verkauf standen, erfüllten mit ihrem Wohlgeruch
die Luft, und jung und alt von den Berlinern hatte sich aufgemacht ins
Freie, um im warmen Lenzeshauch den trüben, kalten Winter zu vergessen.
Was aber dem Tage seinen höchsten Glanz verlieh, das war die Geburt eines
neuen Sprossen des Königshauses. In dem schlichten und einfachen Ge¬
bäude, dem Zeughause gegenüber, war es, wo der spätere erste Kaiser
aus dem Hohenzollerngeschlechte als der zweite Sohn des Kronprinzen
Friedrich Wilhelm und seiner Gemahlin, der Kronprinzessin Luise, das Licht
der Welt erblickte, und eben — es war um 1% Uhr nachmittags —
verkündeten Kanonenschüsse vom Lustgarten her der Bevölkerung Berlins
das freudige' Ereignis. In der Taufe, die am 3. April von dem Hof¬
prediger Sack vollzogen wurde, erhielt der Prinz die Namen Friedrich.
Wilhelm, Ludwig. Wilhelm war sein Rufname, während sein älterer
Bruder kurz Fritz genannt wurde.
Schlicht und einfach war das Haus, in dem die Wiege des Prinzen
Wilhelm stand, und jeder fürstlichen Pracht entbehrend; aber es war das
traute Heim des glücklichsten Familienlebens. Im Jahre 1793 waren
sich der Kronprinz Friedrich Wilhelm und die Prinzessin Luise von Mecklen-
burg-Strelitz in Frankfurt a. M. zum ersten Male begegnet, und innige
Zuneigung verband bald ihre Herzen. Am 22. Dezember desselben Jahres
hielten sie unter dem Jubel der Bevölkerung durch das damals soeben
erbaute prachtvolle Siegesthor ihren Einzug in die preußische Hauptstadt,
um zwei Tage darauf durch den Segen der Kirche ehelich verbunden zu
werden. Fern von dem geräuschvollen Treiben des königlichen Hofes
lebte dann das neuvermählte Paar während der letzten Lebensjahre König
Friedrich Wilhelms II. auf dem Gutshofe zu Paretz, einem Dörfchen bei
Potsdam, in ungetrübter Freude und häuslichem Glücke. Wenn die hohen
Gatten Arm in Arm die Dorfstraße entlang wanderten, zuweilen stehen
blieben und die Blicke rückwärts wandten nach den beiden lieblichen Knaben,
Hellwig, Bilder aus der Vaterländischen Geschichte. 1