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ten Reichsverfassung geschehen, die fürstliche Selbstständigkeit der
deutschen Landesherren fester begründet, die Macht des Kaisers ge¬
schwächt. Allein das Alles muß verschmerzt werden, wenn man
bedenkt, daß durch die gereinigte Lehre des Evangeliums Millionen
Christen der so lang' verschüttete Weg zur Seligkeit wieder eröff¬
net worden ist, und daß, wenn auch in späteren Jahrhunderten
die protestantische Kirche vielfach zu ehemaliger katholischer Weit-
Herzigkeit und Gleichgültigkeit gegen den Glauben der Einzelnen
und zu katholischer Tugend-oder Werkheiligkeit zurückgekehrt ist,
ihr doch auf immer die ewigen Quellen der heiligen Schrift zu¬
gänglich gemacht sind, aus denen sie sich immer wieder neu stär¬
ken und beleben und zur rechten Gemeinschaft der Heiligen Gottes
erbauen kann.
Karl hatte nun keine Freude mehr an Deutschland. Zu sei¬
nem bittersten Grame sah er, daß er trotz seiner Kriegszüge den
verderblichen Einfluß Frankreichs von den deutschen Angelegenhei¬
ten nicht mehr abwehren konnte. Für Spanien und die Nieder¬
lande, welche letztere er eigentlich von Deutschland durch Verträge
losgerissen und mit seinem Hausgute vereinigt hatte, und für die
anderen Königreiche und Fürftenthümer konnte er seinen Sohn
Philipp H., den die Deutschen zum Kaiser nicht haben mochten,
zurücklassen; in Deutschland übernahm sein Bruder Ferdinand
Krone und Regierung. Darum, des Regierens müde, legte er
1556 das Scepter nieder, schiffte sich mit seinen beiden Schwestern
nach Spanien ein, verließ in Valladolid auch diese und bezog eine
kleine Wohnung bei dem Kloster St. Iusti in Estremadura, lebte
hier zwei einsame Jahre, Theils mit künstlichen Handarbeiten,
Theils mit Andachtsübungen beschäftigt, ließ einmal, um die Ent¬
sagung des Lebens in dem schauerlichsten Bilde zu feiern, von den
Mönchen des Klosters sich in einen offenen Sarg legen und sein
eigenes Leichenbegängniß vollständig feiern, und starb bald darauf
wirklich am 21. Sept. 1558 im 56. Lebensjahre.