Luise Scheppler, die Gründerin der ersten Kinderbewahranstalt. 
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tun. War das Wetter unfreundlich, da versammelte sie die Kinder in der 
Scheune des Pfarrhofes. 
Oberlin sah staunend zu, und der Gedanke an die Kleinkinderbewahrung 
wurde immer mächtiger in ihm und erfüllte lebhaft sein Herz. Er sorgte für 
helle Räume zur unentgeltlichen Aufnahme der Kinder vom dritten bis zum 
fiebenten Lebensjahre, auch beschaffte er Bilder und andere Anschauungs— 
mittel. Luise Scheppler aber ist diesem Dienste an den Kleinen treu ge— 
blieben bis an ihr Lebensende. Achtundfünfzig Jahre lang war sie die 
geschickteste unter den Leiterinnen der Kinderbewahranstalten; keine konnte so 
erzählen wie sie, so faßlich und so zum Herzen sprechend, keine vermochte 
die Augen der Kinder so erglänzen zu lassen wie sie, wenn sie Geschichten 
vom Heiland erzählte. 
Dabei versäumte sie die Sorge für die Armen und Kranken nicht, und 
als die treusorgende Gattin Oberlins frühzeitig starb, als Luise erst zwanzig 
Jahre alt war, so besorgte sie auch das ganze Hauswesen des menschen— 
freundlichen Pfarrers musterhaft bis zu seinem Tode im Jahre 1826. 
Luise war eine Heldin aufopfernder Nächstenliebe. Die von ihr ins Leben 
gerufenen Anstalten fanden auch auswärts Nachahmung. Den ersten nennens— 
werten Versuch zur Einführung von Kinderbewahranstalten in Deutschland 
machte die um Volkserziehung gleichfalls hochverdiente Fürstin Pauline von 
Lippe-⸗Detmold; und heute finden wir Kinderbewahranstalten, Kleinkinderschulen, 
Krippen, Kindergärten, oder welchen Namen man ihnen sonst gegeben hat, in 
allen Städten und auch in vielen Dörfern. 
Luise Scheppler starb am 24. Juli 1837, in ihren letzten Jahren war sie 
besonders auf die Ausbildung von Lehrerinnen für die Kleinkinderschulen be— 
dacht. An ihrem Begräbnis nahm das ganze Steintal teil, und viele Tränen 
des Dankes und der Wehmut wurden der Heimgegangenen nachgeweint. Tief 
ergreifend und vieler Augen zu Tränen ruͤhrend war ein Abschiedsschreiben, 
das Luise selbst verfaßt ünd das, wie sie gewünscht hatte, der Gemeinde bei 
ihrem Begräbnisse vorgelesen wurde. In diesem Schreiben nimmt sie in der 
herzlichsten Weise Abschied von allen, die ihr nahe geständen, von allen Freunden 
und Freundinnen, von Wohltätern und Wohltäterinnen, die sie mit Mitteln 
ausstatteten zum Wohltun, von der ganzen Gemeinde und auch von der 
Kleinkinderschule. Sie sagt zu den Kleinen: „Und ihr, meine lieben Kinder 
aus der Strickschule in Waldbach und in der ganzen Gemeine, euch sage ich 
Lebewohl. Ich verlasse euch, aber körperlich nur; denn ich werde fortfahren, 
den Herrn zu bitten, euch zu segnen und euch alle zu sich zu ziehen. Denket 
oft an eure Luise, die euch sehr geliebt hat. Ich werde fortfahren, den Herrn 
zu bitten, euch für die Person, die mich ersetzen wird, dieselbe Liebe, dieselbe 
Ehrfurcht und denselben Gehorsam einzuflößen, die ihr mir erwiesen habt. Ja, 
tut es, liebe Kinder; ich werde mich in der Ewigkeit dessen freuen.“ — 
Unbestritten muß Luise Scheppler als die Gründerin der ersten 
Kinderbewahranstalt gelten; denn Oberlin selbst ist erst durch sie ver— 
anlaßt worden, den Kinderbewahranstalten seine Aufmerksamkeit und Für⸗ 
sorge zu widmen, und der „Niederländische Kurier“ hat in seiner Nummer 
bom 6. September 1829, in welcher er auch der Kleinkinderbewahranstalten 
gedenkt, das Richtige getroffen, wenn er schreibt: „Die Ehre dieser Idee, die 
schon so reichliche Früchte getragen hat und bald überall eingeführt sein wird, 
gebührt ganz allein der Luise Scheppler, einer armen Bäuerin aus Bellefosse.“ 
L. Mittenzwey, „Deutsche Frauengestalten“.
	        
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