Full text: Vom Zeitalter der Reformation bis zum Tode Friedrichs des Großen (Bd. 5)

Die schlesische 
Frage. 
Friedrichs 
Anspruch be¬ 
gründet. 
100 Kapitel XVI. Der Kampf um das österreichische Erbe. 
Der preußische König hatte sich sehr gegrämt über die Treulosigkeit seines 
Kaisers, dem er in treuer, aufrichtiger Ergebenheit hatte dienen wollen. Es 
war für ihn ein Trost gewesen, daß sein Sohn und Nachfolger sich nach 
seinem Herzen entwickelt hatte. Der sterbende König konnte sprechen: „Mein 
Gott, ich sterbe zufrieden, da ich einen so würdigen Sohn und Nachfolger 
hinterlasse." Er hoffte an ihm einen Rächer des Unrechts zu finden, das 
Österreich ihm angetan hatte. 
Friedrich II. gedachte ernstlich des Vaters Wunsch in Erfüllung zu 
bringen. Er knüpfte die Unterstützung Österreichs au die Herausgabe Nieder¬ 
schlesiens. Auf zwei alte Forderungen griff der preußische König zurück. Erstens 
war der Erbansprnch der Hohenzollern auf Niederschlesien begründet in dem 
Abkommen zwischen Joachim II. und den Herzögen von Schlesien (1537). 
Zwar hatte der damalige König Ferdinand I. diesen Vertrag für ungültig 
erklärt, aber die Herzöge von Schlesien hatten von Wladislaw von Böhmen 
das Recht erhalten, über ihre Länder frei zu verfügen. Dem Großen Kur¬ 
fürsten war es gelungen, den Kaiser zur tatsächlichen Anerkennung des Ver¬ 
trages zu bringen, als er auf Schlesien verzichtete und dafür von Öster¬ 
reich den Schwiebufer Kreis erhielt. Diesen Kreis hatte König Friedrich I. 
wieder abtreten müssen. Und nun griff Friedrich II. zurück und erklärte, 
daß sein Recht auf Schlesien nach Zurückgabe des Schwiebuser Kreises an 
Habsburg wieder auflebte. Außerdem gab es noch einen zweiten Rechts¬ 
grund. In Oberschlesien war schon früher ein hohenzollernfches Herzogtum 
gewesen, das im 30jährigen Krieg vom Kaiser eingezogen war, das Herzogtum 
Jägerudorf. Noch immer war man Brandenburgs Entschädigungsanspruch 
nicht gerecht geworden. 
Im Grunde kam freilich auf solchen Rechtsanspruch wenig an. Jeder 
kräftige Staat, wie der preußische damals war, muß sich ausdehnen und 
wachsen. Zwischen Mark und Schlesien gibt es aber keine natürlichen Grenzen. 
Auch war die Bevölkerung in beiden Ländern evangelisch. 
Inzwischen war Karl VI. gestorben (1740). Er war noch mit Frank¬ 
reich wegen der polnischen Thronfolge aneinander geraten. Zwar gelang es 
ihm, seinen Kandidaten für deu polnischen Thron, den Kurfürsten von 
Sachsen, durchzubriugeu. Doch mußte er dem von Frankreich unterstützten 
Stanislaus Leszezyuski Lothringen geben unter der Bedingung, daß dieses 
deutsche Land nach Stanislaus Tod au Frankreich fallen sollte. Ludwig XV. 
hatte bereits des polnischen Herzogs Tochter Maria Leszczynska geheiratet. 
Herzog Franz von Lothringen*) bekam dafür das Großherzogtum Tos¬ 
kana. Der war mit Maria Theresia verheiratet. Um diese Zeit starb Prinz 
Eugen. Die Türken machten sich den Heimgang ihres gesürchtetsten Gegners 
zunutze und überzogen den erschöpften habsbnrgifchen Staat mit Krieg. Der 
*) Seitdem herrscht der Name Franz bei den neuen Habsburgern vor.
	        
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