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18 Zimmerspruch.
Das neue Haus ist aufgericht't; gedeckt, gemauert ist es
nicht, noch können Regen und Sonnenschein von oben und über¬
all hinein; drum rufen wir zum Meister der Welt: Er wolle
von dem Himmelszelt nur Heil und Segen gießen aus hier über
dieses offne Haus. Zuoberst woll er gut Gedeihn in die Kornbö¬
den uns verleihn; in die Stube Fleiß und Frömmigkeit, in die
Küche Maß und Reinlichkeit, in den Stall Gesundheit allermeist,
in den Keller dem Wein einen guten Geist; die Fenster und Pfor¬
ten woll' er weihn, daß nichts Unseliges komme herein, und daß
aus dieser neuen Thür bald fromme Kindlein springen für. Nun,
Maurer, decket und mauert aus! der Segen Gottes ist im Haus.
19. Der Kirschkern.
Als ich letzthin meine Mutter fragte: „Was soll ich mit dein
Steine thun, den der Feind nach mir wirft?" antwortete sie und
sprach: „Entweder liegen lassen gleich wie David die Steine des
Sohnes Gera, oder aufheben, wie der Mühljörg. — Der saß
an einem Sonntagsabend auf seiner Bank vor dem Hause und
¿erlernte sich fast au der fünften Bitte; denn er hatte-einen sehr
harten Kopf und war wegen seines lauten Lernens aus der Stube
gejagt worden. Da fand ihn sein Verächter, des Amtmanns Fritz,
und schnellte einen Kirschkern nach ihm und nahm den Kopf zwischen
die Schultern und ging davon. Georg aber blieb sitzen und sprach
zu sich selber: „Wie hat mich der getroffen! Wäre über meinen!
Auge kein Deckel, wie bei den Karpfen in meines Vaters Teich,
er hatte mir's gewißlich ausgeworfen." Dann nahm er den Kern
von dem Boden, betrachtete ihn hinten und vorn, und steckte ihn
in sein Westentäschlein, worauf er wieder weiter lernte: „Denn
da wir täglich viel sündigen und wohl eitel Strafe verdienen, so
wollen wir zwar wiederum auch herzlich vergeben und gerne wohl¬
thun denen, die sich an uns versündigen." —
Dazwischen wischte er sich mit dem Hemdärmel das Auge, uns
dem Wasser rann. Und acht Tage hernach, als Georg in seine Tasche
langte und den Kern spürte, dachte er: „Da ist er nicht am besten
verwahrt, ich will ihn besser aufheben,'" —- und legte ihn, wie
eine Bohne in den Garten, neben die Hecke. Und weil eö so sein
sollte, ging der Kern auf und wuchs, und der Baum setzte seiner
Länge jährlich fast eine Elle zu. Da beschaute ihn Görg eines
Tages, und bog ihn sanft hin und her und dachte dabei: Laß
ich dich fortwachsen wie du willst, so wirst du mir wie des Ami-