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war nichts geschehen! Keine Pracht, kein Feuerwerk, keine Kanonenschüsse, kein
Trommeln nnd Pfeifen, keine Musik, kein vorangegangenes Ereignis! Nein,
nur ein 73jähriger Mann, schlecht gekleidet, staubbedeckt, kehrte von seinem müh¬
samen Tagewerk zurück. Aber jedermann wußte, daß dieser Alte auch für ihn
arbeitete, daß er sein ganzes Leben an diese Arbeit gesetzt und sie seit 45 Jahren
noch nicht einen einzigen Tag versäumt hatte! Jedermann sah auch die Früchte
seiner Arbeit nah und fern, rund um sich her; und wenn man ans ihn blickte,
so regte sich Ehrfurcht, Bewunderung, Stolz, Vertrauen, kurz alle edleren
Gefühle des Menschen."
3, Sachten nach dem Siebenjährigen Kriege.
1. Zustand des Landes. Sachsen hatte in dem Kriege schrecklich gelitten.
Oftmals war es der Kriegsschauplatz gewesen, fünfmal hatte es den Preußen,
zweimal den Österreichern als Winterquartier gedient. 70 Millionen Taler hatten
Preußen und Österreicher dem Volke abgepreßt. Dazu kamen noch ungeheure
Schäden durch Beschießung und Plünderung, kurz: Sachsen war verarmt.
2. Wiederkehr besserer Zeiten. Da war es ein Glück, daß es nach dem
Kriege gute fürsorgende Herrscher erhielt. Kurfürst Friedrich Christian ergriff
sofort umfassende Maßregeln zur Linderung der Not. Leider starb er schon nach
1763 zwei Monaten. Für seinen noch unmündigen Nachfolger Friedrich August III.
(1763—1827) führte dessen Oheim, Prinz Xaver, die Regierung. Sowohl dieser
wie auch später Friedrich August III. selbst kannten keine größere Sorge als
die für die Wohlfahrt des Landes, und es gelang ihnen nach und nach, die
furchtbaren Wunden wieder zu heilen. Das minderwertige Geld, mit dem
Sachsen überschwemmt war, wurde eingezogen, das Heer wieder in guten Zu¬
stand versetzt, die Rechtspflege verbessert, die Folter abgeschafft. Die Schaf¬
zucht wurde gehoben durch Einführung spanischer Merinoschafe und Anlegung
von Mnsterschäfereien. Baumwolleuindnstrie und Kohlenbergbau nahmen einen
großen Aufschwung. Die Bergakademie in Freiberg wurde gegründet, später
auch die Forstakademie zu Tharandt. In Dresden wurde das erste Lehrer¬
seminar errichtet und in Leipzig die erste deutsche Taubstummenanstalt. All¬
mählich kehrte der Wohlstand wieder, und Sachsen verlebte bis zum Jahre 1806
unter der" fürsorglichen Fegierung Friedrich Augusts III. eine Reihe glücklicher
Friedensjahre.
XII. Die Befreiung der Volkskrcifte.
KulturjuTtand Deutschlands am 6nde des 18. "Jahrhunderts.
1. Fürsten. Seit dem Dreißigjährigen Kriege war die Macht des deutschen
Kaisers gebrochen. Der Reichstag setzte sich zusammen ans Vertretern (Gesandten)
von mehr als 300 weltlichen und geistlichen Staaten und Reichsstädten. Die
von der Kaisermacht unabhängig gewordenen Landesfürsten ließen auch im
Lande keine Mitregiernng zu. Die Stände, Adel, Geistlichkeit und Städte,
die oft für die großen Ausgaben der Fürsten keine Steuern bewilligen wollten,
wurden gar nicht mehr gefragt. Die Städte verloren ihre letzten Rechte. Dort
setzte der Landesherr den Bürgermeister unb ctnbere Beamte ein, bie bann