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4. Freistätten (AMe). Eine Freistätte für die Verfolgten bildete das Gottes¬
haus. So heißt es im Gesetz der Alemannen: „Wenn jemand einen fliehenden
Mann, sei es einen Freien oder einen Knecht verfolgt, und dieser flieht bis in
die Türen der Kirche, so soll keiner die Befugnis haben, ihn mit Gewalt aus
der Kirche zu ziehen, oder ihn innerhalb der Kirchentüren zn erschlagen."
Später wurden auch iu manchen Ländern die Wohnungen der Bischöfe und
anderen Geistlichen, bie Klöster, die Kirchhöfe (Friedhöfe) usw. zu Freistätten für
Verbrecher. Erst im 17. Jahrhundert wurde bestimmt, daß das Asylrecht den
Kirchenschäuderu, Ketzern, Majestätsverbrechern it. a. keinen Schutz gewähren sollte.
5. Gottesurteile. Wenn es dem Richter zweifelhaft schien, ob der Ver¬
klagte schuldig oder unschuldig sei, so stellte der Priester mit chm allerlei Proben
an, die seine Schuld oder Unschuld beweisen sollten. Alle diese Proben nannte
man Gottesurteile, weil man annahm, daß Gott den Unschuldigen in seinen
Schutz nehmen und zu seinem Gunsten die Gesetze der Natur für den Augen¬
blick aufheben werde.
Der Angeklagte mußte mit der Hand einen Stein aus einem Kessel mit
kochendem Wasser herausholen oder mit bloßen Fußen über sechs, nenn oder
zwölf glühende Pflugschare hinwegschreiten. Verbrannte er sich dabei, so galt
er für schuldig.
War jemand ermordet worden, so wurde die Leiche auf.eine Bahre gelegt,
uud die anwesenden Verwandten warteten des Bahrrechtes. Der des Mordes
Verdächtige mußte herantreten und die Wunden des Erschlagenen berühren.
Fingen sie an zu bluten, so hielt man den Angeklagten für überführt. Auch
der Tod wurde als Gottesurteil angesehen'.
6. Karl der Große* 768—814.
1. Karls Persönlichkeit und rastlose Tätigkeit. Unter den Fürsten des
Frankenlandes nimmt Karl der Große, Pipins des Kurzen Sohn, die hervor¬
ragendste Stelle ein. Er war von hoher Gestalt, maß sieben seiner Fußlängen
und besaß eine riesenhafte Stärke. Feine, ausländische Kleidung mochte er nicht
leiden. Am liebsten ging er in Kleidern, die ihm seine Gemahlin oder seine
Töchter gesponnen unb gewebt hatten. Nur bei feierlichen Gelegenheiten erschien
er im königlichen Schmucke, aus bem Haupte bie vou Golb uub Diamanten
-strahlenbe Krone. „Unausgesetzt war Karl mit ben Angelegenheiten seines
Reiches beschäftigt; oft staub er bes Nachts 4—5 mal von seinem Lager auf uub
wanbte sich feinen Arbeiten zu; selbst beim Ankleiben verhanbelte er von Ge¬
schäften mit feinen Räten ober ließ Parteien vor, bie feinen Richterfpruch
suchten; beim Mahle ließ er sich geschichtliche ober erbauliche Schriften vorlesen;
keine Stunbe verstrich ungenutzt." Karl hatte in seiner Jugeub wenig Gelegen¬
heit zum Lernen gehabt. Schreiben lernte er erst im Mannesalter. Er hatte
beshalb immer eine Schreibtafel von Wachs unter bem Kopfkissen liegen, unb
nachts, wenn er nicht schlafen konnte, zog er sie hervor unb übte bie schwert¬
gewohnte Hanb im Führen bes leichten Griffels. Doch brachte er es iu ber
Kunst bes Schreibens nicht mehr weit, unb bie meisten seiner Unterschriften
bestanben nur aus einem im Viereck gezogenen Strich.