Full text: Die Weltgeschichte in zusammenhängender Darstellung für Schule und Haus

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4. Oer Lundrsgenolsenkricg. 
Marius war nicht ohne Schwierigkeit zum sechsten Male zu der höchsten 
Würde im Staate gelangt. Die Altadligen gönnten ihm die Auszeichnung 
nicht, aber die Volkspartei schätzte ihn um so höher. Leider war das Volk 
ganz unter der Botmäßigkeit einiger gewissenloser Führer, die sich mit Marius 
zugleich au die Spitze des Staates schwingen wollten und die vor keiner Ge¬ 
waltthat zurückschreckten, wenn es galt, ihre Pläne zur Ausführung zu bringen. 
Unter wildem Getümmel uud Blutvergießen vollzog sich die Wahl. Nun sollte 
Marius die gracchischeu Gesetze erneuern, die Ackerteilung, die Anlegung von 
Kolonien in den Provinzen, und dazu die Forderung fügen, daß jeder Senator, 
nachdem ein Gesetz vom Volke beschlossen worden sei, schwören müsse, dasselbe 
auszuführen. Durch die letztere Bestimmung wäre der Senat gänzlich machtlos 
geworden. Marius war kein Staatsmann, er vermochte weder das Volk von 
einem thörichten Schritte zurückzuhalten, noch den Senat zu beherrschen. Doch 
brachte er den letzteren dahin, wenigstens zum Schein den Schwur zu leisten, 
nachdem die Gesetze in der Volksversammlung durchgegangen waren. Nur ein 
Senator, der alte Metellus, blieb standhaft und verließ Rom lieber, als daß 
er den Senat erniedrigte. Bei der Konsulwahl für das nächste Jahr kam es 
zu einem schrecklichen Tumulte, wobei ein Kandidat der Adelspartei erschlagen 
wurde. Nun zwang der Senat Marius, mit Waffengewalt gegen das Volk 
einzuschreiten. Nach einem blutigen Straßenkampfe wurden die Führer der 
Volkspartei in ein Hans gedrängt und eingesperrt. Die jungen Edlen erstiegen 
das Dach desselben, rissen es ab und warfen die Demagogen mit Steinen zu 
Tode. So wurde die Revolution unterdrückt. Aber Marius hatte sein An¬ 
sehen dabei eingebüßt. Das Volk mißtraute ihm, und die Edlen schoben ihn 
verächtlich beiseite. Grollend begab er sich nach Asien, um die Zeit abzu¬ 
warten, in welcher man von neuem seines Schwertes bedürfen würde. 
In Rom kam die Gärung nicht zum Stillstände. M. Livius Drusus^ 
für das Jahr 91 zum Tribun gewählt, nahm die gracchischeu Gesetze wieder 
aus. Besonders eins war es, was ihm am Herzen lag, der Plan, den sämt¬ 
lichen italischen Völkerschaften das volle römische Bürgerrecht zu verschaffen. 
Drusus war selbst ans edlem Geschlechte, aber mit klarem Blicke erkannte er 
die Mängel des Staates, und mit weiser Besonnenheit, wie sie nur die reinsten 
Absichten zu erzeugen vermögen, strebte er auf streng gesetzlichem Wege seinem 
Ziele zu. Er wußte, daß die Stadtrepublik sich überlebt habe, daß Rom im 
Staate Italien ausgehen müsse, wenn es gesund werden solle. Die italischen 
Bundesgenossen dauerten ihn, die ihr Blut in den langen schweren Kriegen 
für Rom verfpritzt und nichts dafür erhalten hatten, als einen kärglichen 
Anteil an der Beute. Es schmerzte ihn, daß jeder römische Bettler die braven 
Männer ans den Landstädten von oben herab behandeln durste, daß die Gesetze 
es erlaubten, die angesehensten Italiker mit Ruten und Beil zu strafen, während 
der gemeinste römische Bürger bei denselben Vergehen unangetastet blieb, weil 
er an das Volk appellieren konnte. Drusus hatte ohne Zweifel Verbindung 
mit den Bundesgenossen, die Adligen fürchteten ihn, aber sie wußten auch, daß 
der Pöbel in Rom, eifersüchtig auf seine bürgerlichen Vorrechte, in dieser Frage 
zu ihnen stand. Als Drusus eines Abends von einer Menge Volkes begleitet 
nach Hause ging und sich vor feiner Thür verabschiedete, traf ihn der Dolch 
eines Meuchelmörders.
	        
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