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Antonius Pins (138—161) war der Adoptivsohn des vorigen, dessen
Andenken er ans jede Weise in Schntz nahm (daher Pins). Er zählte schon
50 Jahre, als er Kaiser wurde, und seine ganze Regierungsthätigkeit war aus
Werke des Friedens gerichtet. So gründete er Schulen ans Staatsmitteln,
sorgte für Armenanstalten und förderte die Rechtspflege dadurch, daß er be¬
soldete Richter auf Lebenszeit einsetzte. Allen äußeren Prunk verschmähte er
grundsätzlich, dabei war er so uneigennützig, daß er alle seine Bedürfnisse aus
eigenen Mitteln bestritt.
Marcus Aurelius (AutoninsPhilosophos), 161—180, war der Adoptiv¬
sohn des vorigen. Seine Neigung zu einer beschaulichen Lebensweise und zu
philosophischem Denken (er schrieb „Selbstbetrachtungen") machen ihn zu einem
der merkwürdigsten Kaiser. Er verwarf den Krieg als eine Geißel der Mensch¬
heit, aber feine Regierung war eine kriegerische, und er selbst brachte viele
Jahre im Lager zu. Tenn unter ihm begann der Ansturm der Germanen
gegen die Grenzen des Römerreiches. Die Markomannen in Böhmen hatten,
nachdem sie sich von dem Bündnisse mit Rom freigemacht, eiue Einigung der
östlichen Völkerschaften ins Leben gerufen. Sie gingen über die Donau und
die Alpen und drangen bis zum Adriatischen Meere vor. Gleichzeitig durch¬
brachen die Chatten den Hadrianswall und erschienen im Zehntlande, andre
germanische Völker bedrohten als Seeräuber die Küsten Galliens. Marc Aurel
blieb im ganzen noch Sieger, die Germanen wurden zurückgetriebeu, und da
der Markomannenbund sich auslöste, so kam sogar eiu Friede zustaude, der
längere Zeit währte. Der Sohn Marc Aurels, Commodus, nahm 20000 Ger¬
manen in das Heer ans, um die gesunkene Wehrkraft der Römer zu stärken,
erreichte aber damit das Gegenteil, denn das römische Reich selbst geriet auf
diese Weise allmählich in die Hände der Deutscheu.
In der Zeit von 180—268 regierten eine Anzahl Kaiser, die von den
Prätorianern für ein bedeutendes Geldgeschenk auf den Thron erhoben und
wieder gestürzt wurden, wenn ein anderer mehr bot. Sie regierten meist nur
kurze Zeit und starben fast alle eines gewaltsamen Todes. Auch die Heere
in den Provinzen beanspruchten das Recht, Kaiser zu wählen, indem sie ihre
Heerführer oft geradezu zwangen, den Kaisertitel anzunehmen. Mehrmals
waren drei uud vier Thronbewerber zugleich vorhanden, zuletzt nicht weniger
als 19 (die spottweise die 30 Tyrannen genannt wurden). Daß unter solchen
Verhältnissen das Reich zerfallen mußte, liegt auf der Hand. Besonders waren
es die Germanen, welche die Donau- und Rheingrenzeu durchbrechend, in die
Provinzen eindrangen, ja Italien selbst bedrohten. Sie hatten sich in große
Völkerbündnisse zusammengeschlossen, die Goten an der unteren Donau, die
Alamannen im südwestlichen Deutschland, die Franken am Niederrhein und die
Sachsen an den Küsten der Nordsee. In den Heeren selbst überwog die Zahl
der Söldner die der Reichsangehörigen. Die Bevölkerung Roms nnd Italiens
verweichlichte ganz unter den verderblichen Einflüssen orientalischer Genußsucht
uud Sittenverderbnis.
Erst M. Aurelius Claudius und noch mehr Aureliauus stellten das
Reich wenigstens äußerlich wieder her. Beide waren Landleute von Geburt,
aber durch Kriegstüchtigkeit emporgekommen. Der erstere trieb die Alamannen,
die bereits am Gardasee erschienen waren, über die Alpen zurück und zwang
die Goten zum Rückzüge, letzterer, der sich den Beinamen „Wiederhersteller des
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