128 Einfluß der humanistischen Richtung auf Wissenschaft und Volkstum. 
vorgelegt gewesen war. Der Ernst persönlicher Überzeugung ist es, der 
Luther die Herzen gewinnt, und dazu kommt als Weiteres, daß Luther'nicht 
nur deutsch dachte und suhlte, sondern mit seinem Volke auch deutsch sprach. 
Er hatte über humanistischen Studien nicht den Sinu für seine Heimat 
und ihre Sprache verloren, sein Gemüt hatte sich stets eine offene Empfäng¬ 
lichkeit für das bewahrt, woran das deutsche Volk seine Freude, Erholung 
und Lust fand, wie für den mannigfaltigen Druck und Jammer, unter dem 
es feufzte. So wurde Luther „der populärste Charakter, der gewaltigste 
Volksmann, den Deutschland je besessen." 
!8. Linfluß der humanistischen Richtung auf Wissenschaft 
und Volkstum. 
(Nach: Dr. Karl Hagen, Deutschlands litterarische und religiöse Verhältnisse im Re¬ 
formationszeitalter. Franks, a. M. 1865. Bd. I., S. 278 — 363.) 
. Charakter der von den Humanisten angebahnten neuen wissen¬ 
schaftlichen Richtung bestand vor allem in dem Lossagen von der Autori¬ 
tät, die bisher der Scholasticismus geübt, in der Freiheit wissenschaftlicher 
Forschung und in der Kritik der bisherigen Wissenschaftlichkeit. Sie wollte 
statt des bisherigen Formelwesens, ans dem Geist und Bedeutung längst 
entflohen waren, weil man die alten Sätze nur gedankenlos nachbetete und 
breit trat, eine echte Bildung des Geistes und Herzens. Sie geht daher 
aus der Enge der Schule, wo eben diese Bildung verkümmert, die Wissen¬ 
schaft in Banden gehalten wird, hinaus in die Gebiete der Natur und der 
Welt, will überall Beziehungen zu den sozialen Verhältnissen, zum Vater¬ 
lande, überhaupt zum Leben. Sie will statt der barbarischen Form, in 
welcher sich die bisherige Wissenschaft aussprach, eine schönere, klare, deut¬ 
liche, angenehme Darstellung. 
Zu dieser Richtung war man hauptsächlich durch das erneuerte Stu¬ 
dium der Alten gekommen. Sie waren überall Vorbild und Muster. Zu¬ 
nächst gingen daher auch die Bestrebungen der neuen Richtung auf die 
Verbreitung und Förderung der klassischen Litteratur. Und im Gegensatz 
Zum L>cholasticismns hob man gerade das Element hervor, welches am 
auffallendsten mit demselben in Widerspruch stand, die Poesie. Die An¬ 
hänger des humanistischen Studiums machen die Beschäftigung mit der 
Poesie zum charakteristischen Merkmal ihrer Richtung und nennen sich vor¬ 
zugsweise gern Poeten. Aber auch anderen Disziplinen, welche bisher ver¬ 
nachlässigt waren, wandte man seine Aufmerksamkeit zu. So wurden be¬ 
sonders Mathematik, Astronomie, Naturwissenschaften getrieben, vorzugs¬ 
weise Geschichte und Geographie und, wie sich von selbst versteht, auch 
Theologie. 
Vor allem bemühte man sich, die griechischen und römischen Autoren
	        
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