Die Handwerkszünfte im Mittelalter. 11
noch, wie sehr sich die richterliche Befugnis der Innungen gemindert hat;
1349 noch volle Gerichtsbarkeit, 138u schon volle Unterordnung unter den
Rat. Beachtenswert ist auch, daß der Gerbermeister ein „Ehrbarer", der
Schustermeister aber ein „Bescheidener" genannt wird. Die Gerber gehörten
also in Leipzig wohl zu den vornehmeren Zünften.
Gegen das Ende des 14. Jahrhunderts erscheinen auch vollständige
Handwerksordnungen oder Jnnnngsartikel. Diese Statuten werden
nicht um diese Zeit erst erfunden, sondern sie sind, wie es gewöhnlich im
Eingänge der betreffenden Verordnungen ausdrücklich gesagt wird, alther¬
kömmliche Rechte und Gewohnheiten. Längst hatten sie als Norm und
Richtschnur im Jnnuugslebeu und Jnnnngsgericht gegolten, und einzig durch
den lebendigen Verkehr, ohne alle schriftliche Aufzeichnung hatten sie sich
von Geschlecht zu Geschlecht fortgepflanzt. Als aber die Innungen in eine
größere Abhängigkeit vom Rate kamen, wurden sie von diesem veranlaßt,
ihre Zunftgesetze aufzuschreiben und sie bestätigen zu lassen. Dabei wurde
natürlich alles gestrichen, was nicht mehr zeitgemäß erschien.
Die erste Jnnnng, welche mit einer wohlverbrieften und obrigkeitlich
genehmigten Handwerks-Ordnung hervortritt, ist die der Schneider. Die
Erteilung des Privilegs geschieht durch den Landesherrn, doch ist die Mit¬
wirkung des Rates vorauszusetzen. Die Urkunde ist vom Jahre 1386 und
beginnt mit den Worten: „Wir Friedrich und Wilhelm re. bekennen rc.,
daß wir dem Handwerk der Schneider zu Leipzig Jnnnnge gegeben haben
als hernach geschrieben steht, die wir auch widerrufen und abthun mögen,
wenn wir wollen." Nach diesem Eingänge, der die völlige Unterordnung
der Zuust unter die obrigkeitliche Gewalt klar und deutlich erkennen läßt,
wird die richterliche Befugnis der Meister festgestellt. Alle Jahre soll die
Innung einen Meister wählen, der dem Landesherrn bequem sei. Dieser
soll die Macht haben zu richten „ohne (endgiltiges) Urteil" über Schuld
und Scheltwort, alles übrige soll man vor Gericht bringen. Würde es sich
aber herausstellen, daß der Meister nicht „bequem" wäre, so soll der Lan¬
desherr unter Zuziehung der Handwerksgenossen einen andern einsetzen.
Zur Entschädigung gleichsam für den Verlust der Selbständigkeit wird der
Innung, im folgenden der Zunftzwang garantiert. Es soll kein Schneider
zu Leipzig in der Stadt oder vor der Stadt das Handwerk treiben, er
habe denn die Innung zu dem Handwerke gewonnen. Die Aufnahme in
die Innung wird noch nicht von dem Meisterstück abhängig gemacht. Es
wird nur bestimmt: Welcher Schneider die Innung gewinnen will, der soll
dem Handwerke darum 4 Pfund Wachs geben, die soll man verwenden
zu des Handwerks Kerzen, welche alljährlich zum Fronleichnamsfeste und
allwöchentlich am Sonnabende zu unserer lieben Frauen Messe in der
Thomaskirche brennen, dazu soll er geben ein Viertel Bier und einen brei¬
ten Vierdung (— den vierten Teil eines Pfundes Silber) dem Handwerk,
die Hälfte des Vierdungs foll der Meister am Michaelistage an die mark¬
gräfliche Kasse abgeben. In diesen Aufnahme-Bestimmungen liegen die An-