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Draußen sagte der Schlosser zu seinem Begleiter:
„Hört, Lame Thies, Ihr geht jetzt mit zum Vogt, damit
ich einen Zeugen habe, daß ich das Testament richtig ab-
geliefert habe. Ich glaube auch, daß das, was darin steht,
Euch am meisten angeht. Ihr werdet vielleicht durch
dieses Schriftstück ein reicher Mann." Thies seufzte.
Ein reicher Mann? ja, wie konnte das angehen? Aber
er hatte jetzt nicht viel Zeit, darüber sich seinen Betrach¬
tungen hinzugeben; denn ehe er recht zur Besinnung kam,
standen sie schon vor dem Hause des Vogtes und traten
ein in das rauchige Amtszimmer desselben.
Der Vogt machte große Augen, als er so unerwartet
das Dokument wieder vor sich aus dem Tische liegen sah,
das erst vor wenigen Tagen bte Erblasserin von ihm
zurückgefordert hatte. Er drehte es hin und her und
beschaute das Siegel mit forschenden Blicken; aber es
war gar kein Zweifel, es war das Testament der Frau
Bleß. Als der Schlosser und sein Begleiter wieder
gehen wollten, sagte er: „Lame Thies, bleibt Ihr noch
einen Augenblick hier, ich habe mit Euch noch ein Wort
zu reden. Setzt Euch mir gegenüber aus den Stuhl und
hört mich an. Mit dem Testament hat es eine eigene
Bewandtnis. Ich kann Euch ja ungefähr sagen, was
darin steht, denn es ist in meiner Gegenwart aufgesetzt
worden. Die Frau Bleß hat in demselben ihren Ehe¬
mann zum Erben ihres eingebrachten Gutes eingesetzt,
und weil Herr Jürgen sein Weib um einige Tage über¬
lebt hat, so hätte er die Erbschaft damit angetreten. Der
einzige Erbe des bald nach seinem Weibe Verstorbenen
aber seid Ihr, und Euch würde demnach der gesamte
Besitz zufallen. Aber das Ding hat einen Haken. We¬
nige Stunden vor ihrem Tode ist die Frau Bleß zu mir
gekommen und hat das Testament, das bei mir hinter¬
legt war, zurückgefordert, und zwar sagte sie, sie wolle
dasselbe ändern; ihr Mann solle nicht Erbe sein. Daß
sie es nicht gethan hat, daran ist nur ihr plötzliches Ende
schuld. Die Gebrüder Groth werden natürlich dieses
Testament anfechten, und bei der Verhandlung muß ich
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