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mit einem Schlage alles Glück von ihnen gewichen zn
sein. Ein nicht geringer Teil der Ritter verzweifelte
kleinmütig an dem ferneren Gelingen des Kreuzzuges; sie
warteten in Selencia auf Schiffe und kehrten einer Unter¬
nehmung den Rücken, von der sie sich keinen Erfolg mehr
versprachen. Die andern aber wählten jetzt des Kaisers
Sohn, den heldenmütigen Friedrich von Schwaben, zu
ihrem Anführer, und er führte nun das Heer glücklich
über Antiochien bis nach Akko, welche Stadt von dem
ans der Gefangenschaft Saladins befreiten Könige Guido
von Jerusalem belagert wurde, um sie den Türken wieder
zu entreißen. Aber das Glück schien thatsächlich von den
Deutschen gewichen zu sein. Friedrich nebst einem großen
Teile der Kreuzfahrer starben während der Belagerung
an einem bösen Fieber, und der Rest kehrte nach der
Heimat zurück, nachdem sie noch durch den Hochmut und
die Ungerechtigkeit des englischen Königs Richard Löwen¬
herz bitter gekränkt worden waren. Der mit so großen
Hoffnungen begonnene Kreuzzug hatte gar keinen prak¬
tischen Erfolg, trotzdem er zu den glänzendsten Waffenthaten
des deutschen Volkes gezählt werden muß.
Die Deutschen in der Heimat mochten es nicht
glauben, daß der herrliche Kaiser nicht wiederkehren werde.
Während sie aber vergeblich auf seine Heimkehr warteten,
entstand allgemach die Sage, daß er nicht gestorben sei,
sondern unten im Kyffhäuserberge in der thüringer gol¬
denen Aue sich verborgen halte. Dort sitzt er schlafend,
inmitten seiner ebenfalls schlafenden Ritter, an einem
Marmortisch, den Kopf in die Hand gestützt; sein roter
Bart ist durch den Tisch gewachsen. Alle hundert Jahre
erwacht er und fragt einen Diener, ob die Raben noch
um den Berg fliegen. Einst aber, so erzählt die Sage,
wird ein Adler kommen, der die Raben verscheucht, und
alsdann wird auch der Kaiser aus seiner Felsenwohnung
hervortreten und das Reich wieder aufrichten in alter
Pracht und Herrlichkeit.
Jahrhunderte sind dahingerollt ins Meer der Ewig¬
keit seit dem Hingange dieses Heldenkaisers; Jahrhunderte