Full text: Im Kaiserhause zu Goslar (3)

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Rechten des Kaisers saß sein Bruder Ferdinand, zur 
Linken der päpstliche Nuntius Aleander. Zu beiden 
Seiten in langer Reihe folgten 6 Kurfürsten, 24 Herzoge, 
8 Markgrafen, 30 Erzbischöfe, Bischöfe und Prälaten, 
77 Gesandte der Reichsstädte, 7 fremde Gesandte und 
eine große Zahl von Fürsten, Grafen und Herren, im 
ganzen über 200 Personen. Aller Augen waren auf den 
Mann gerichtet, der nun zur Thür hineingeführt wurde, 
angethan mit der groben Mönchskleidung, bleich vor 
Aufregung und mit großen Schweißperlen vor der Stirn. 
Welch ein Gegensatz! Dort der mächtige Kaiser, in dessen 
Reich die Sonne niemals unterging, dessen Wort Leben 
und Tod zu bringen vermochte; und hier der arme, ver¬ 
achtete Mönch, dem nicht einmal das Kleid zu eigen 
gehörte, das er trug! Dort der Kaiser, auf dessen Wink 
Tausende und aber Tausende von Kriegsleuten warteten, 
seine Befehle zu vollziehen, und hier der Mönch, der 
keine Wehr und Waffen hatte, außer dem Worte seines 
Mundes! Aber dennoch — wer von den beiden war 
der Mächtigste, der Gewaltigste? 
Die glänzende Versammlung blendete den Mönch; 
er war befangen, sein Herz klopfte zum Zerspringen, 
seine Zunge klebte ihm am Gaumen. Im Namen des 
Kaisers legte ihm der erzbischöfliche Offizial Eck aus 
Trier *) die Frage vor, ob er die Bücher, die neben Eck 
auf einer Bank lagen, für die seinigen anerkenne und ob 
er ihren Inhalt widerrufen wolle. Luther antwortete mit 
leiser Stimme, kaum den zunächst Stehenden verständlich, 
die Bücher wären die seinigen; die Frage über ihren 
Inhalt aber betreffe das Höchste, Gottes Wort und der 
Seelen Seligkeit. Da müsse er vor einer unbedachten 
Antwort sich hüten und bitte deshalb demütig noch um 
eine kurze Frist zum Ueberlegen. Nach kurzer Beratung 
wurde ihm eine Frist von 24 Stunden bewilligt und 
gleich darauf verließ er den Saal. 
Am folgenden Abend, Donnerstag, den 18. April, 
*) Nicht zu verwechseln mit dem Eck aus Ingolstadt,
	        
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