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der Wind säet, Sturm erntet. Durch sein herrisches
Wesen, durch seine Rücksichtslosigkeit und sein leichtfertiges
Leben hatte er sich die Liebe und die Achtung vieler seiner
Vasallen verscherzt, und als er sie nun aufforderte, zu
ihm zu stehen und mit ihm über die Alpen zu ziehen und
den anmaßenden Kirchenfürsten zu züchtigen, da — ver¬
sagten sie ihm die Heeresfolge. Die Entbindung von dem
dem Könige geleisteten Treueide durch den Papst war
diesen Herren ein willkommener Vorwand, sich jetzt vom
Könige zu trennen. „Einem gebannten Könige," so sagten
sie, „sind wir keinen Gehorsam schuldig, ein mit dem
Kirchenbanne belegter Fürst kann nicht deutscher König
sein." In Sachsen entbrannte der Aufruhr von neuem
und schlimmer als zuvor. Die vom Könige eingesetzten
fränkischen Beamten wurden verjagt, die aus der Ge¬
fängnishaft entwichenen Fürsten und Bischöfe kehrten in
die Heimat zurück. Aber nicht nur die Sachsen lehnten
sich wider den gebannten König auf; selbst seine ehe¬
maligen Freunde fielen von ihm ab. Sämtliche Bischöfe,
die noch kurz zuvor auf der Kirchenversammlung zu Worms
sich gegen den Papst erklärt hatten, schlossen Frieden mit
der Kirche, um nicht ebenfalls vom Banne betroffen zu
werden ; die weltlichen Herren wollten sich die Gelegen¬
heit _ nicht entgehen lassen, ihre Macht auf Kosten des
Königs zu erhöhen; von allen Seiten war Heinrich be¬
droht. Und abermals wurde zu Tribur ein Fürstentag
gehalten, auf dem sämtliche Vasallen des Reiches ein¬
mütig erklärten, daß sie zu einer neuen Königswahl
schreiten würden, wofern es Heinrich nicht gelinge, sich
binnen Jahresfrist vom Banne zu lösen. In Augsburg,
wohin man auch den Papst einlud, sollte die Sache ent¬
schieden werden; bis dahin aber sollte sich Heinrich jeder
Regierungsgewalt und jedes königlichen Glanzes enthalten.
Der Papst frohlockte, als er die Nachricht von diesen
Vorgängen in Deutschland erhielt; so leicht hatte er sich
seinen Sieg nicht vorgestellt. Zn Anfang des Jahres 1077
machte er sich auf, um die Reise über die Alpen nach
Deutschland anzutreten. Während er aber in dem festen