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Herbsttage; anhaltende Regengüsse hatten das Wasser des
Weserstromes anschwellen gemacht, so daß es bis hoch
an die Deiche heranreichte. Da faßten sie den Plan,
mit Kähnen über die Weser bis an die Deiche zu fahren,
dieselben zu durchstechen und so das Land unter Wasser
zu setzen. Die dadurch entstehende Verwirrung wollten sie
dann benutzen, die Stedinger einzeln zu schlagen und das
Land zu erobern. Aber die Bauern waren auf ihrer
Hut. Als sie die Menge der Krieger, Büßlieder singend,
auf dem hochangeschwollenen Strome herankommen sahen,
sammelte sich alsbald auf den Deichen die streitbare
Mannschaft, und glücklich wurde auch dieser Angriff zu¬
rückgeschlagen. Viele Hunderte von Kreuzfahrern fanden
in den Fluten der Weser ein nasses Grab und ihre
Leichen wurden der brausenden Nordsee zugetrieben, viele
Kähne wurden von den Bauern versenkt; die übrigen
aber eilten, wieder das rechte Stromufer zu erreichen,
und heulend und wehklagend zogen die Geschlagenen nach
Bremen zurück.
Die Stedinger hatten durch diese beiden Angriffe
gelernt, daß sie Ursache hatten, Tag und Nacht aus der
Hut zu sein. Sie wußten wohl, daß nach diesen kleinen
Kämpfen bald der Hauptangriff folgen werde, und alles
deutete darauf hin, daß der Tag der Entscheidung
nicht mehr fern sei. Aber ruhig sahen sie diesem
Tage entgegen; die erfochtenen Siege schienen ihnen
eine gute Vorbedeutung zu sein, und mehr als jemals
waren sie entschlossen, ihre Freiheit bis zum letzten
Blutstropfen zu verteidigen.