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Am Ende des Korridors trennten sich die beiden Damen;
jede eilte in ihre Wohnung, um dort in Gedanken weiter
zu spinnen an den Netzen, in welchen ein junges, ahnungs¬
loses Fürstenkind verstrickt und gefangen werden sollte.
Viertes Kapitel:
Line fürstliche Sraut.
Im Schlosse zu Celle hatte man keine Ahnung da¬
von, was für Wetterwolken sich in Hannover zusammen¬
ballten, deren Blitze jäh das Glück eines armen Menschen¬
kindes zerschmettern sollten. Dort herrschte aufrichtige
Freude über die angebahnte Verbindung zwischen den
beiden so nahe verwandten Höfen; denn der alte Georg
Wilhelm hatte schwer darunter gelitten, daß seit seiner
Verheiratung mit seiner geliebten Eleonore das Ver¬
hältnis zwischen ihm und dem Bruder und dessen Ge¬
mahlin kälter und kälter geworden war. Daß nun
aber Ernst August für seinen Sohn, den Kurprinzen, um
die Hand Sophie Dorothea's werben ließ, galt ihm als
ein Beweis, daß man am Hofe in Hannover einzusehen
begann, wie Unrecht man gethan, als man mit vornehmer
Geringschätzung auf Eleonore und deren Tochter herab¬
geschaut hatte. Es war klar, man wollte wieder gut
machen, was man gefehlt, man wollte das Kind der
verachteten Hngenottin aufnehmen als gleichberechtigt in
den Kreis der Verwandten. Daß daneben zugleich die
gemeinsamen Familieninteressen betont wurden, schien
dem harmlosen Georg Wilhelm nur natürlich; aber war
nicht auf seines lieben Kindes Seite der größere Vorteil?
Wurde durch diese Heirat seine Tochter nicht die Ge¬
mahlin eines regierenden Herr« in Deutschland, und
einst vielleicht — Königin des meernmflosseuen England?
Hatte er vorher noch geschwankt, — diese letzte Erwägung
verscheuchte die letzten Bedenken, und so wurde, wie wir
gesehen haben, die Verlobung vollzogen.