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wie es bei solchen Festen Gebrauch war; aber dennoch
lag es wie Gewitterschwüle über allen Gästen. Die Ab¬
wesenheit der Kurfürstin konnte nicht unbemerkt bleiben
und gab Veranlassung zu allerlei Vermutungen, und es
fehlte nicht an bösen Zungen, die es den andern zu¬
raunten, daß das Unwohlsein der hohen Frau nur ein
Vorwand sei, und daß in Wirklichkeit allein in der Ab¬
neigung derselben gegen des Sohnes Braut die Ursache
ihres Fernbleibens gesucht werden müsse. Manch mit¬
leidiger, aber auch manch geringschätziger Blick traf die
arme, unglückliche Braut, die, einem geschmückten Opfer¬
lamm nicht unähnlich, am Arme des schweigsamen Bräuti¬
gams durch die glänzenden Festräume schritt. Freilich
glitt bisweilen ein Lächeln über ihre marmorbleichen
Züge, aber man sah es, es war ein gezwungenes Lächeln,
und sie mußte sich Gewalt anthu«, um die Thränen zu
unterdrücken, welche oftmals ans ihren Augen hervorzu¬
brechen drohten.
So kam der 21. November heran, der Tag, an
welchem die Vermählung stattfinden sollte. Mit bangem
Herzen sah Sophie Dorothea demselben entgegen; das
kaltsinnige Wesen des Kurprinzen erfüllte sie mit Sorge
unb Furcht. Sie fühlte sich einsam in ihrer Umgebung;
selbst mit ihrer Mutter konnte sie nicht allein sprechen,
unb wenn sie einmal ein Stünbchen fanb, wo sie ihr
thränenfeuchtes Gesicht an btefe treue Brust legen bürste,
so waren es boch nur teibige Trostworte, welche bte Mutter
ihr sagen konnte. Die arme Frau mußte sich Zwang
anthun, um nicht ihren eigenen Schmerz ber Tochter zu
verraten; auch ihr war bas kalte Benehmen bes Bräuti¬
gams nicht entgangen — aber nun war es zu spät.
Svbalb es ohne Aussehen zu erregen geschehen konnte,
zog sich bte Prinzessin am Abenb vor beut Hochzeitstage
in ihre Gemächer zurück. Ihre Kammerfrau, bie sich
nach ben Befehlen ber jungen Gebieterin erkunbigte, hatte
sie fortgeschickt, unb nun saß sie allein in ihrem an¬
genehm burchwärmten Gemach, zu welchem bte Töne ber
Musik aus bent Ballsaal nur wie ein fernes Rauschen