Full text: Die Burgfrau von Ahlden (6)

fr7 
— 48 — 
Laß uns umkehren, Mutter; der Dade wird wollen, 
wenn Du nur willst. Er thut ja alles, was Du 
sagst". 
Aber unwillig schüttelte die Alte den Kopf. „Kind, 
das verstehst Du nicht", sprach sie; „der braune Mensch 
muß wandern, eine Heimat hat er nirgend, er kennt nicht 
den Ort, wo er geboren ist, er weiß nicht, wo er einst 
seinen Wanderstab niederlegen wird. Er kann es nicht 
ertragen, in engen Steinhäusern zu wohnen, wie die 
weißen Menschen, noch in den engen Gassen ihrer Städte 
umherzukriechen. Das benimmt ihm den Atem und er¬ 
schlafft seinen Mut. Ihm ist es nur wohl unter dem 
hohen Himmelsdom, und wenn er des Abends nach langer 
Wanderung sein Haupt niederlegt unter der dünnen Lein¬ 
wand des Zeltes oder unter dem grünen Blätterdache des 
Baumes, so ruht er dort besser und fühlt sich wohler, 
als der stolze weiße Mann in seinem engen, dumpfigen 
Zimmer. Aber ich weiß nicht, welch ein Geist in Dich 
gefahren ist, Lischka. Heimkehr, Heimkehr — das ist das 
Einzige, wovon Du redest. Als ob Du eine Heimat hättest 
außer diesem Wagen und dem Zelte des Vaters! Bis¬ 
weilen möchte ich zweifeln, ob Dn ein echtes Zigeuner¬ 
kind bist. Dn wärest doch früher anders, und jubeltest 
und klatschtest in die Hände, wenn die Wagen bespannt 
wurden und der Dade sein Pferd bestieg, und es nun 
weiter ging in Gegenden, die Du noch nicht gesehen, 
unter Menschen, deren Sprache Du nicht verstandest!" 
„Damals war ich ein Kind und wußte nicht, was 
ich that", sprach Lischka mit einem Seufzer. „Seit ich 
aber herangewachsen bin, habe ich das fahrende Leben 
satt. O hätte ich eine Heimat, hätte ich ein Haus, wie 
froh, wie glücklich würde ich sein!" 
Ein paar dicke Thränen flössen über die gebräunten 
Wangen der Jungfrau; sie preßte die Hand aufs Herz, 
gleich als wollte sie das Klopfen desselben beruhigen. 
Die Mutter aber warf einen scheuen Blick aus die Tochter 
und sagte leise: „Ich weiß es, Lischka, was Dir das 
Wandern verleidet hat, auch ohne daß Du es mir sagst.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.