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Laß uns umkehren, Mutter; der Dade wird wollen,
wenn Du nur willst. Er thut ja alles, was Du
sagst".
Aber unwillig schüttelte die Alte den Kopf. „Kind,
das verstehst Du nicht", sprach sie; „der braune Mensch
muß wandern, eine Heimat hat er nirgend, er kennt nicht
den Ort, wo er geboren ist, er weiß nicht, wo er einst
seinen Wanderstab niederlegen wird. Er kann es nicht
ertragen, in engen Steinhäusern zu wohnen, wie die
weißen Menschen, noch in den engen Gassen ihrer Städte
umherzukriechen. Das benimmt ihm den Atem und er¬
schlafft seinen Mut. Ihm ist es nur wohl unter dem
hohen Himmelsdom, und wenn er des Abends nach langer
Wanderung sein Haupt niederlegt unter der dünnen Lein¬
wand des Zeltes oder unter dem grünen Blätterdache des
Baumes, so ruht er dort besser und fühlt sich wohler,
als der stolze weiße Mann in seinem engen, dumpfigen
Zimmer. Aber ich weiß nicht, welch ein Geist in Dich
gefahren ist, Lischka. Heimkehr, Heimkehr — das ist das
Einzige, wovon Du redest. Als ob Du eine Heimat hättest
außer diesem Wagen und dem Zelte des Vaters! Bis¬
weilen möchte ich zweifeln, ob Dn ein echtes Zigeuner¬
kind bist. Dn wärest doch früher anders, und jubeltest
und klatschtest in die Hände, wenn die Wagen bespannt
wurden und der Dade sein Pferd bestieg, und es nun
weiter ging in Gegenden, die Du noch nicht gesehen,
unter Menschen, deren Sprache Du nicht verstandest!"
„Damals war ich ein Kind und wußte nicht, was
ich that", sprach Lischka mit einem Seufzer. „Seit ich
aber herangewachsen bin, habe ich das fahrende Leben
satt. O hätte ich eine Heimat, hätte ich ein Haus, wie
froh, wie glücklich würde ich sein!"
Ein paar dicke Thränen flössen über die gebräunten
Wangen der Jungfrau; sie preßte die Hand aufs Herz,
gleich als wollte sie das Klopfen desselben beruhigen.
Die Mutter aber warf einen scheuen Blick aus die Tochter
und sagte leise: „Ich weiß es, Lischka, was Dir das
Wandern verleidet hat, auch ohne daß Du es mir sagst.