Full text: Welt- und Staatskunde

IV. Deutsche Verfassungs- und Kulturgeschichte. 129 
Dächer bildeten eine Seltenheit. Die schmutzigen, ungepflasterten, 
eng und krumm angelegten Straßen waren bei Nacht nicht er¬ 
leuchtet. Die Häuser hatten wenig Licht; Feuersbrünste und Seuchen 
gehörten daher nicht zu den Seltenheiten. Rauchige Kamine dienten 
der Erwärmung, schwielende Kienfackeln der Beleuchtung. Bis zum 
allgemeinen Gebrauch des Fensterglases wurden die Fensteröffnungen 
durch Tücher und Teppiche gegen Wind und Wetter geschlossen. Im 
späteren Mittelalter finden sich zunächst in den Wohnungen der 
Reichen die Butzenscheiben. Bei der vermehrten Bautätigkeit der 
folgenden Zeit wurden auch die Fenster immer mehr vervollkommnet. 
Überhaupt gewinnt das Bild der Städte im 15. Jahrh, durch 
den Aufschwung von Architektur, Bildhauerei und Malerei un¬ 
gemein. 
Die Gastfreundschaft wurde eifrig gepflegt; im Essen und 
Trinken leistete man Erstaunliches. Feste und Lustbarkeiten ver¬ 
schiedenster Art wechselten miteinander ab. 
Der Beruf der Gaukler, Fechtkünstler, Musikanten, Schauspieler, 
Schäfer und namentlich der des Henkers gehörten zu den unehrlichen 
Gewerben. Gegen deren Angehörige und auch gegen die Juden ver¬ 
fuhr man oft mit härtester Grausamkeit. 
Die jeweilige Trachtenmode ward, abgesehen von den National¬ 
trachten der bäuerlichen Bevölkerung, vom 13. Jahrh, ab meist von 
Frankreich diktiert. 
Die deutsche Kunst im Mittelalter knüpft zunächst an die 
des Altertums an, entwickelt sich dann aber selbständig weiter. 
Die Baukunst steht zum überwiegenden Teil im Dienst der 
Kirche; erst später betätigt sie sich auch an anderen Gebäuden: Rat¬ 
häusern, Zunftgebäuden, selbst an Befestigungsanlagen. 
Indem die ältesten Kaiser bemüht waren, an die Stelle 
hölzerner Gotteshäuser steinerne Münster zu setzen, entwickelte sich 
durch Benutzung altchristlicher Vorbilder der romanische Stil mit dem 
einfachen oder doppelten Kreuz als Grundriß, den Rundbögen und 
Kreuzgewölben. Älteste romanische Denkmäler dieser Art sind die 
von Heinrich I. gegründete (restaurierte) Schloßkirche zu Quedlin¬ 
burg und die vom Markgrafen Gero 961 erbaute Stiftskirche zu 
Gernrode am Harz; spätere sind die Abteikirche zu Maria Laach (Rgbz. 
Koblenz), 1110 begonnen, und der Dom zu Limburg a. d. Lahn, 1235 
geweiht. Durch Übernahme des orientalischen Spitzbogens entsteht 
über einen sogen. Übergangsstil zuerst in Frankreich, dann in Eng¬ 
land, später in Deutschland, wo er zur größten Blüte gelangte, der 
gotische totil mit seinen hochaufstrebenden Pfeilern, hohen Fenstern, 
reich geschmückten Portalen, weiten Hallen und hohen Türmen. Älteste 
gotische Kirchenbauten sind das in der 2. Hälfte des 13. Jahrh. 
Engelhardt, Welt- u. Staatskunde. 2. Aufl. 9
	        
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