IV. Deutsche Verfassungs- und Kulturgeschichte. 16o
Mit der Auflösung des Reichs gingen die Reichstage ein; Eine
Sammlung und Zusammenstellung der Reichsgesetze ist nicht zustande
gekommen. . ^ e . , ,
Oberstes Reichsgericht war das Reichskammerger: ch t,
das das Hofkammergericht allmählich verdrängt hatte und^ unter
Maximilian I. auf dem Wormser Reichstag auf reichsgesetzliche
Grundlage gestellt wurde. Der Kaiser ernannte den Kammerrichter,
die Reichsstände die Beisitzer. Es hatte seinen festen Sitz in Fran^
furt am Main, kam dann nach mehrfachem Ortswechsel 1527 nach
Speier und von 1693—1806 nach Wetzlar. Infolge seiner^zögern-
den Entscheidungen und der Bestechlichkeit der urteilenden stimmen
verlor es alles Vertrauen beim Volk; mit bitterem Hohn bezeichnete
es der Volksmund als den „Reichsjammer". Vorteilhaft stach da¬
gegen die Ehrenhaftigkeit des preußischen ^ustizstandes ab.
Die Grundlage für die Strafrechtspflege bildete seit 1533 die
peinliche Gerichtsordnung Karls V. (Carolina), die, als sie veraltet
war, durch Landesgesetze verdrängt wurde. Obgleich ^jene schon
hart und grausam genug war, nahm in der Folge die strenge der
Strafen noch zu. Die schrecklichsten Strafen, wie Rädern, Vier¬
teilen u. a. wurden schon wegen geringfügiger Verbrechen verhängt;
in unsinnigster Weise suchte man durch Foltern die Angeklagten
zum Geständnis zu bringen. Trotzdem wurde die große Zahl von
Verbrechen in dieser Zeit nicht herabgemindert. Im 16. und 17.
Jahrh, richteten die Herenprozesse viel Unheil an, Heientribunale
walteten ihres Amtes. Der „Herenhammer" schreibt seit 1489
das Verfahren bei der Inquisition und Behandlung der Heren, d. h.
der der Zauberei beschuldigten, genau vor.
Auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts ward mehr und mehr
das römische Recht maßgebend, das erst in alterneuester Zeit (1900)
durch das neue deutsche bürgerliche Gesetzbuch wieder ganz verdrängt
worden ist.
Ein stehendes Reichsheer hat das alte Deutsche Reich nicht
besessen. Wenn ein Krieg bevorstand, wurden die Aufstellung eines
Heeres aus Truppen der Reichsstände und die Bestreitung der
Kosten auf einem Reichstag festgesetzt. Im übrigen half man sich
mit Söldnertruppen. Für die Zahl der von den einzelnen Reichs¬
ständen zu stellenden Truppen blieb die Wormser Matrikel von 1521
maßgebend, in der für einen Römerzug Karls V. die Stärke eines
dem Kaiser bewilligten Heeres angegeben war. Seit 1681 übertrug
man die Verteilung der Truppenkontingente und deren Zusammen¬
stellung zu Regimentern den Reichskreisen, in die das Reich zum
Zweck einer Reichsverwaltung unter Mitwirkung der Stände seit
Kaiser Maximilian eingeteilt worden war. Jede Mannschaft eines