V. Verfassung und Verwaltung und die Parteien. 179
Verfassung der einzelnen Kontingente zu überzeugen und die Ab¬
stellung der dabei vorgefundenen Mängel anzuordnen.
Der Kaiser bestimmt den Präsenzstand, die Gliederung und Ein¬
teilung der Kontingente des Reichsheeres sowie die Organisation
der Landwehr und hat das Recht, innerhalb des Bundesgebietes die
Garnisonen zu bestimmen sowie die kriegsbereite Aufstellung eines
jeden Teiles des Reichsheeres anzuordnen. Sachsen, Württemberg
und insbesondere Bayern nehmen im Heerwesen auf Grund be¬
sonderer Übereinkommen eine Sonderstellung ein (Artikel 63, 64
und 66 der Verfassung).
Nach Artikel 59 gehört jeder wehrfähige Deutsche sieben Jahre
lang, in der Regel vom vollendeten 20. bis zum beginnenden 28.
Lebensjahre, dem stehenden Heere — in den ersten drei Jahren
bei der Fahne, in den letzten vier Jahren in der Reserve —, die
folgenden fünf Lebensjahre der Landwehr ersten Aufgebots und
sodann bis zum 31. März desjenigen Kalenderjahres, in dem er
das 39. Lebensjahr vollendet, der Landwehr zweiten Aufgebots an.
Die Feststellung der Friedenspräsenzstärke des Heeres geschieht
im Wege der Gesetzgebung, der Heeresaufwand wird aus Reichs¬
mitteln bestritten.
Die Verwaltung des gesamten Reichsheeres geschieht nicht von
einer Zentralstelle (etwa einem Reichskriegsamte) aus, sondern durch
die Kriegsministerien der vier Kontingente Bayern, Württemberg,
Sachsen und Preußen. Dem preußischen Kontingent gehören also
alle Bundesstaaten mit Ausnahme der genannten drei König¬
reiche an.
Abschnitt XII regelt das Reichsfinanzwesen. Alle
Einnahmen und Ausgaben des Reichs müssen nach Artikel 69 für
jedes Jahr veranschlagt und auf den Reichshaushaltsetat gebracht
werden. Dieser Etat wird vor Beginn eines jeden Etatsjahres
nach folgenden, durch Gesetz festgestellten Grundsätzen festgestellt:
Zur Bestreitung aller gemeinschaftlichen Ausgaben dienen zu¬
nächst die aus den Zöllen und gemeinschaftlichen Steuern, aus dem
Eisenbahn-, Post- und Telegraphenwesen sowie aus den übrigen
Verwaltungszweigen fließenden gemeinschaftlichen Einnahmen. In¬
soweit die Ausgaben durch diese Einnahmen nicht gedeckt werden,
sind sie durch Beiträge der einzelnen Bundesstaaten nach Maßgabe
ihrer Bevölkerung aufzubringen, die in Höhe des budgetmäßigen
Betrages durch den Reichskanzler ausgeschrieben werden. Insoweit
diese Beträge in den Überweisungen keine Deckung finden, sind sie
den Bundesstaaten am Jahresschluß in dem Maße zu erstatten, als
die übrigen ordentlichen Einnahmen des Reichs dessen Bedarf über¬
steigen.
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