Full text: Deutsches Lesebuch für die Oberklassen der Volksschule

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jeder sueht den andern niederzuschmettern, indem er mit aller Macht 
gegen n springt. Wer wird vieger sein? Beide scheinen an Muth, 
an Krästen Fleion. Jeder sueht ein höheres Hlätzehen zu gewinnen, 
um von dort aus mit grösserer Gewalt fechten zu können. Lange 
wuhrt die Schlacht, aber immer kann sie nieht dauern. Die Kräfte 
aehmen ab, eés tritt eine kurze Ruhe ein; mit gesenktem Haupte zur 
Vertheidigung und zum Angriff jederzeit bereit, mit dem sschnabel 
Erdkrümchen aufpickend, als wollten sie den Feind dadureh ver— 
höhnen, dass sie mitten im Kampfe sich's wohlschmecken lassen, 
stehen sie einander gegenüber. Jetzt kräht der eine mit sehwankender 
sstimme, denn er ist noch ausser Athem, und augenblüeklieh stürzt 
der andere wieder auf ihn los. Mit erneuter Wuth treffen sie zu 
zammen; sie kämpfen, wie früher; aber endlien sind Füsse und 
Hügel vor Mattigkeit zum Kampfe nicht mehr tauglich; da greifen 
zie 2u der letzten und furchtbarsten Waffe. die springen viceht 
mehr, aber hageldieht fallen die Schnabelhiebe nieder, und bald 
riefen die Köpfe vom Blute. Endlieh verlässt den Feind der Muth, 
er wankt, er weicht zurück; jetzt bekommt er noch einen tüchtigen 
Hieb, und die heisse Schlacht ist entsehieden. Er füeht, sträüubt die 
Nackenfedern empor, hebt die FVlügel, senkt den Schwanz, sucht 
sich eine Ecke, macht sieh klein und krakelt, wie eine Henne; denn, 
für eine Henne gehalten, glaubt eêr das Mitleid zu fnden, welehes 
er als Hahn nicht zu erwarten hat. Doch der vieger ist dureh 
kein Gekrakel zu bethören; er sehöpft erst wieder Athem, sehlägt 
mit den Flügeln, kräüht, und macht sien dann zur Verfolgung des 
Feindes auf, der sioh nun vieht mehr wehrt, und wenn er aueh 
unter den Hieben des ergrimmten Gegners sein Leben aushauchen sollte 
(Lenz) 
10. Die Schwalbe. 
Im Frühjahr, wenn das Eis und der Schnee weggeschmolzen sind 
warme Lebenslüfte wehen und die Mücken tanzen und Fliegen summen 
dann kommen die Schwalben zu uns. Wo waren sie im Winter 
von wannen kommen sie? Aus Afrika, weit her, viele hundert 
Meilen weit über ein großes Meer, über Berge und Thäler und weite 
Landstrecken. Wer hat ihnen gesagt, daß bei uns wieder Frühlingsluft 
weht, daß wieder Mücken und Fliegen in der Luft ihr Wesen treiben 
und zu ihrer Speise bereit sind? Wer zeigt ihnen den Weg durch die 
Luft, wo keine Straße abgesteckt, kein Wegweiser hingestellt ist? Und 
doch verliert keines den Weg, jedes kommt wieder am rechten Orte 
an und zu rechter Zeit. Diese Schwalbe, die vergangenes Jahr in 
deinem Hausflur ihr Nest baute, kommt heuer wieder zu dem ihr wohl⸗ 
bekannten Hause, und ihre Söhne und Töchter bauen sich in der Nähe 
wiederum ihr Rest, das sie das künftige Jahr wieder heimsuchen 
Warum bauen sie aber das Nest? Wissen sie denn vorher, daß sie
	        
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