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bis endlich sein Kopf mit gerunzelter Stirne, tief eingesunkenen Augen
und einer mit dem Kinn sich fast vereinigenden Nase an einem Fenster
erschien, während eine heisere Stimme uns zurief, daß wir wohl
Räuber fem müßten, indem ehrliche Leute doch nicht bei Nacht zu reisen
pflegten. Da es, wie ich wußte, in Mexiko nicht viele Wirtshäuser
gibt, so nahm ich die Grobheit gelassen hin, nannte meinen Stand
und Namen und bat demütig um Nachtquartier. Endlich drehte sich
die Tür in ihren Angeln: auf unsere Frage jedoch, ob ich ein Zimmer
und Erfrischung bekommen könnte, erhielt ich die Antwort: „Wir haben
nichts, gar nichts. Wir haben keine Zimmer und keine Erfrischungen;
wir können Sie nicht beherbergen!"
Dies war anfangs die einzige Antwort, die ich aus dem Wirt und
seinen Leuten herausbekam; da ich aber den Charakter der Mexikaner
kannte, so nahm ich meine Hoffnung zu einem untrüglichen Mittel, indem
ich dem Wirte einen Dollar in die Hand drückte. Der Anblick des Geldes
entlockte seinen matten Augen ein gieriges Leuchten, und nach kurzem
Erwägen befahl er meinem Diener, die Pferde in ein Nebengebäude zu
führen, und schickte sich an, mir das einzige freie Zimmer zu zeigen,
über welches er, wie er sagte, noch zu verfügen hätte.
Endlich standen wir vor der Tür des Zimmers, in welchem ich
mich von den Anstrengungen einer sehr beschwerlichen Reise zu erholen
hoffte. Aber wie erschrak ich, als ich den Fuß über die Schwelle setzte!
Der Raum, in den ich eintrat, war kaum 2 Meter hoch und 3 bis 3,5
Meter breit und lang, und dennoch enthielt er eine solche Menge von
allerlei Sachen, daß man nicht begriff, wie sie darin Platz finden konnten.
Der Boden war mit Lehm bedeckt, und der erste Gegenstand, auf den
mein Blick fiel, war ein Maultier, das ganze behaglich mit ausgestreckten
Beinen auf einem Strohhaufen lag. In einem andern Winkel stand
eine verwelkte Aloe von ungeheurer Größe, während zerbrochene Töpfe,
Knochen, Kohlen und Holzscheite in wilder Verwirrung umherlagen.
Auf der einen Seite befand sich eine elende Hängematte mit einem
Boden von Stricken und auf der anderen stand ein plumper Tisch mit
einer Schüssel voll staubiger Bohnen. Die Wände waren mit einer
Masse Ungeziefer bedeckt und mit flitterhaften Verzierungen behangen.
Das Hauptbild, welches wegen seiner Größe die Aufmerksamkeit zunächst
in Anspruch nahm, sollte offenbar die Mutter Gottes, die Schutzheilige
von Mexiko, darstellen. Neben ihm stand ein plumpes Kreuz mit
steinernen Blutstropfen an den Gliedern des Gekreuzigten, während ein
buntes Gemisch von allerlei Dingen in seiner Nähe hing, darunter
befanden sich ein Sattel und eine Halfter, einige Schaffelle, ein Dolch,
ein Paar silberne Sporen mit den dazu gehörigen Steigbügeln, ein
altes Pistol, ein Lasso und mehrere Rosenkränze. Das ganze Gemach
war ein abschreckendes Bild der Unsauberkeit, eine vollständige Rümpel-
kammer, in welcher alle möglichen Dinge in der wunderlichsten Unordnung
ausgehäuft waren. Der Boden war schwarz, die Decke war schwarz