- 4 —
die Dammvorstadt. Dies rechte Ufer bedarf, weil es so niedrig liegt
eines Schutzes durch Deiche. Aber an dem Unglückstage durch¬
brachen die fort und fort steigenden Fluten die Dämme und über¬
schwemmten die Dammvorstadt. Zahlreiche Gebäude, Häuser,
Scheuern und Ställe wurden weggespült oder umgeworfen. Dazu
riss der Strom sieben Joche der Brücke fort, und nun konnte den
Abgeschnittenen keine Hülfe mehr gebracht werden. Ja, man
blieb auch ohne jede Nachricht von ihnen und erzählte sich, dass
noch Menschen auf Dächern und Thorwegen mit ausgereckten
Armen, um Rettung flehend, gesehen würden. So konnte es nicht
an Versuchen fehlen, von der Stadtseite um jeden Preis noch
Hülfe zu bringen. Einem Schiffer samt zweien Genossen war es
gelungen, in einem kleinen Kahne das Ufer der Dammvorstadt zu
gewinnen. Einen anderen Versuch unternahm Herzog Leopold.
Seit acht Jahren wohnte derselbe als Regiments-Kommandeur
in Frankfurt. Durch Liebenswürdigkeit seines Auftretens, durch
seinen Drang, überall zu helfen und wohlzuthun, hatte er sich die
Liebe aller Volkskreise erworben. Bei jeder öffentlichen Gefahr,
bei Feuers- und Wassernot war er, allen andern vorauf, thätig
im Rettungswerke. Als ihn die Nachricht von dem furchtbaren
Anwachsen der Gefahr traf, eilte er zur Oder und bestieg zweimal
einen Kahn, um über den Strom zu fahren. Als die Umstehenden
ihn abmahnten, rief er: „Hier sind Menschen zu retten! Bin ich
nicht ein Mensch wie sie?“ Gleichwohl aber gab er den dringenden
Vorstellungen einiger Ratsherren und den fufsfälligen Bitten zweier
Soldaten seines Regiments nach und trat zurück.
In trüben Gedanken verliess er den Platz und wandte sich
heimwärts. Nach Haus gekommen, versuchte er, einen Augenblick
im Lehnstuhl von den Aufregungen der letzten Stunden auszu¬
ruhen. Aber die vor seinem Geiste aufsteigenden Bilder des
Jammers liessen den Herzog die gewünschte Ruhe nicht finden.
Als dann bei der Wachtparade von neuem die Gerüchte von dem
Schrecklichen, was sich drüben zugetragen, auf ihn eindrangen,
eilte er abermals an den Strom, um überall den Mut der Zag¬
haften zu entflammen. Unterdessen hatte sich ein Schiffer ent¬
schlossen, die Überfahrt zu wagen, mit ihm zwei Knechte, von
denen einer Soldat war. Dieser begegnete dem Herzog und bat
ihn um seine Einwilligung. Mit Freuden erteilte Leopold dieselbe
und folgte ihm auf dem Fusse nach. Das Beispiel der drei