Full text: Preußen unter der Königskrone

4. Die Fürsorge der Hohenzollern für Landbau und Gewerbe. 15 
und trug dazu bei, während der Regierung Friedrich Wilhelms IV. einen 
gewaltigen Fortschritt aus dem Gebiete der Industrie herbeizuführen. Be¬ 
günstigt wurde derselbe noch durch die großartigen Erfindungen des 19. Jahr¬ 
hunderts, die den Dampf und die Elektrizität dem Menschen dienstbar machten. 
Eisenbahnen durchzogen bald in vielverschlungenen Netzen die Gebiete des 
Zollvereins. Der Telegraph trug mit Blitzesschnelle Nachrichten in die ent¬ 
ferntesten Weltgegenden. Eine ansehnliche Handelsflotte vermittelte den Ver¬ 
kehr zwischen Preußen und den überseeischen Ländern. In vielen Städten 
entstanden Fabriken, deren Schornsteine hoch gen Himmel ragten. Besonders 
auf dem Gebiete der Eisenindustrie erwarb sich Preußen einen großen Ruf. 
Die Gußstahlwerke von Krupp in Essen und die Maschinenfabrik von Borsig 
in Berlin wurden weltberühmt. Mit dem Ausblühen von Handel und Gewerbe 
ging der Aufschwung der Landwirtschaft Hand in Hand. 
Als unter Wilhelm I. das Deutsche Reich neu aufgerichtet worden war, 
übernahm der Staat fast alle Eisenbahnen im Lande und verschaffte sich 
dadurch viele Einnahmen, dem Volke aber manche Bequemlichkeit und Er¬ 
leichterung. Aber nicht nur im Innern der Monarchie entwickelte sich zu 
Waffer und zu Lande ein reger Verkehr und ein lebhafter Handel, sondern das 
Deutsche Reich fühlte sich auch mächtig genug, in fremden Erdteilen Besitzungen 
zu erwerben und somit neue Handelsquellen zu erschließen oder neue Handels¬ 
verbindungen anzuknüpfen. 1884 entstanden deutsche Kolonien in Südwest- 
asrika, in Togoland und Kamerun, und 1885 ergriff das Reich Besitz von 
einem großen Gebiet in Ostafrika, von Kaiser-Wilhelmsland und dem Bismarck- 
Archipel in der Südsee. Dazu kam später während der Regierung Wilhelms II. 
die Erwerbung von Kiautschou in Ostasien, das für den deutschen Handel 
von großer Bedeutung zu werden verspricht, sowie die Gewinnung der Samoa¬ 
inseln, der Marianen und Karolinen. Eng verknüpft mit der Erwerbung von 
Kolonien und der Zunahme des Weltverkehrs war auch das Wachstum der 
deutschen Handelsflotte, die heute nur noch von der englischen und der nord¬ 
amerikanischen übertroffen wird. Die gedeihliche Entwicklung des deutschen 
Handels wird aber auch gefördert durch das großartige Emporblühen der 
deutschen Industrie. Selbst im Auslande werden die deutschen Waren sehr 
geschätzt uud gern gekauft. Mit Besorgnis sehen die Engländer und Franzosen, 
daß die Deutschen sie nach und nach überflügeln. Der Kaiser selbst zeigt für 
jedeu Fortschritt aus dem Gebiete der Industrie, für jede wertvolle Erfindung 
ein reges Interesse. Er besucht gern Fabriken und ermuntert die Fabrik¬ 
herren und ihre Arbeiter zu rastlosem Weiterstreben. Er läßt sich die neuesten 
Erfindungen vorführen und belebt den Eifer deutscher Erfinder. Durch sein 
Verhalten bei der Jubelfeier der technischen Hochschule in Charlottenburg hat 
er aller Welt bewiesen, wie groß seine Hochachtung vor der deutschen In¬ 
dustrie ist. Seme Bestrebungen, den deutschen Osten mehr für den Gewerbefleiß 
zu erschließen, berechtigen zu deu besteu Hofftmngen. Mit großer Thatkraft 
sucht er den Bau des Mittellandkanals zwischen den großen Strömen 
Mitteldeutschlands zur Ausführung zu bringen. Möge es ihm gelingen, auf 
dem beschrittenen Wege rüstig vorwärts zu driugeu uud immer schönere Er¬ 
folge zu erzielen.
	        
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