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und kräftigen Geistes und seines schönen sentimentalen Ge¬ 
müts die schönste und über das Leben erhabene Moral¬ 
philosophie uns ausgesprochen hat. 
Die „Geschichte (des Abfalls) der Niederlande“ von 
Schiller, sowie die „Geschichte des Dreißigjährigen 
Krieges“ las die Königin mit Aufmerksamkeit: denn schon 
früh hatte ihren denkenden und forschenden Geist das 
Studium der Geschichte angezogen. Sie las in dieser Zeit 
Gibbons „Geschichte des Verfalls des römischen Reichs“1) 
mit einem Nachdenken und mit einem Nutzen, wie sie viel¬ 
leicht selten gelesen wird. Die alte Geschichte und die Ge¬ 
schichte von England zogen sie damals am meisten an und 
kräftigten ihr Gemüt. Wir werden sehen, wie später die 
deutsche Geschichte sie angezogen und wie einige Charaktere 
unserer Altvordern sie mit Begeisterung erfüllt hatten. 
Noch las die Königin gern Schillers gesammelte Me¬ 
moiren, wie überhaupt gern die geistreichen französischen 
Memoires2), diese Schätze praktischer Welt- und Staats¬ 
kunde und die Zeichen einer Zeit, welche einer bedeutenderen 
vorangegangen ist und sie vorbereitet hat. 
Auch zogen die Übersetzungen aus dem Altertum und 
besonders die alten griechischen Tragiker3) die Königin sehr 
an, und es war natürlich, daß die großen, kräftigen und 
J) Gibbon (gest. 1794), History of the decline and fall 
of the Roman empire, 6 Bände, London 1782—86 (deutsch von 
Sporschie, 4. Aufl. 1862), ein großes, vielgenanntes Geschichts¬ 
werk. 
2) Gemeint sind wohl Schillers kleinere Prosaschriften und 
philosophischen Briefe; unter den französischen Memoires sind 
hier ebenso Abhandlungen belehrenden Charakters (nicht Denk¬ 
würdigkeiten) zu verstehen. 
3) Die bedeutendsten griechischen Tragiker (5. Jahrh. v. 
Chr.) sind: der feierliche, sittlich ernste Aeschylus (Orestie), 
der lichtvolle, erhabene Sophokles, der größte dramatische 
Meister (Antigone) sowie der freimütige, geistreiche Euripides 
(Iphigenie).
	        
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