Full text: Quellenlesebuch für den Geschichtsunterricht

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7. Theodorich. 
An dem Fuße der Karpathen stehn der Hunnen ranhe Horden, 
Heulen wilde Klaggesäuge, furchtbar grausig von Accorden.1) 
In dem reichsten Schmuck der Waffen und beim Schmettern der Fanfaren2) 
Ziehn und schwenken um den seid'nen Baldachin3) die treuen Scharen, 
Schneiden ab die langen Haare, schneiden wund Gesicht und Leiber, 
Bringen Kriegerblut zum Opfer bei dem Wehgeschrei der Weiber; 
Legen die entseelte Hülle in drei Särge, wohl verschlossen, 
Die ans Gold und Silber unb ans Eisen kunstvoll sie gegossen; 
Senken sie bei nächtigem Dunkel tief hinab ins Herz ber Erbe, 
Werfen Schmuck und Waffen drüber; und bas; nie verraten werde, 
Wo ber Weltenstürmer schlnmmre, metzeln sie beim Klang ber Lieder 
Die Gefangnen, die des großen Toten Grab gegraben, nieder. 
Und auf frischer Grabesstätte füllen sie mit Wein die Becher, 
Und es schmausen, tanzen, springen wild umher die trunknen Zecher. 
Haltaus. 
7. Theodorich. 
(493—526.) 
Der Bischof und Geschichtsschreiber Jordanis berichtet in seinem Werke: Der 
Goten Ursprung und Thaten: 
Als der Kaiser Zeno hörte, daß Theodorich zum Könige der Goten ver¬ 
ordnet worden war, nahm er die Nachricht mit Freuden aus. Er ließ ihn zu 
sich in die Hauptstadt fommen, empfing ihn mit gebührender Ehre und erteilte 
ihm eine Stelle unter den Vornehmsten seines Palastes. Nach einiger Zeit 
nahm er ihn, um feine Ehre noch zu erhöhen, an Kindesstatt an. Er ernannte 
ihn zum Konsul, welche Würde als das höchste Gut und die höchste Würde in 
der Welt gilt. Damit noch nicht zufrieden, errichtete er zum Ruhme eines 
so großen Mannes noch ein Reiterbild desselben vor dem kaiserlichen Palaste. 
Als Theodorich hörte, daß fein Volk in Jllyrieu mit Not und Mangel 
zu kämpfen habe, während er selbst in der Hauptstadt alles Guten genoß, kam 
er zu dem Entschlüsse, lieber in mühevollem Kampfe des Lebens Unterhalt 
zu gewinnen, als müßig die Herrlichkeiten des römischen Reiches zu ge¬ 
nießen, während fein Volk darbte. Der Kaiser vernahm den Wunsch und 
war unzufrieden darüber; doch er wollte ihn nicht betrüben und gewährte 
ihm, was er forderte. Er beschenkte ihn reichlich und entließ ihn. 
Theodorich verließ die Hauptstadt, kehrte zu den ©einigen zurück, sammelte 
fein ganzes Volk um sich und zog nach Italien. Er fiel in das Gebiet von 
Venetien ein. Da zog Odoaker, der König der germanischen Völker der Rugier 
Skiren, Heruler u. a., mit einem schlagfertigen Heere gegen ihn heran. Aber 
Theodorich rückte ihm bis in die Gefilde von Verona entgegen und ver¬ 
nichtete ihn durch eine große Niederlage. Dann brach er fein Lager ab, drang 
mit großer Kühnheit in das Gebiet von Italien ein, überschritt den Po unb 
J) Hier: im Zusammenklange. 2) Fanfare = Trompetenstück, hier Trompete. 
3) Thronhimmel.
	        
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