Full text: Quellenbuch für den Geschichtsunterricht

Tacitus: Germania. 
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ab, oder hauen sie nur an, so daß sie im ganzen das Aussehen behalten, 
als ständen sie fest. Wenn die Alken sich dann ihrer Gewohnheit gemäß 
anlehnen, so werfen sie durch ihr Gewicht die schwachen Bäume um und 
stürzen mit ihnen zugleich selbst nieder. 
Die dritte Gattung bilden die sogenannten Auerochsen. Sie stehen 
an Größe etwas unter dem Elefanten; dem Ansehen, der Farbe, der Gestalt 
nach sind .sie Stiere. Groß ist ihre Kraft und groß ihre Schnelligkeit; 
weder einen Menschen noch ein Tier, das sie erblickt haben, verschonen sie. 
Diese töten die Germanen mit besonderem Eifer, indem sie sie in Gruben 
fangen. Durch diese Arbeit stählen sich Männer und Jünglinge, in dieser 
Art Jagd üben sie sich; die, welche die meisten von ihnen getötet haben, 
finden, wenn sie die Horner zum Beweise in die Versammlung bringen, 
großes Lob. Doch an die Menschen gewöhnt und gezähmt sönnen die 
Auerochsen nicht werden, nicht einmal, wenn man sie noch ganz klein auf¬ 
fängt. Die Große der Hörner, ihre Gestalt und ihr Aussehen weicht sehr 
von den Hörnern unserer Stiere ab. Diese suchen die Germanen eifrig 
zusammen, fassen sie am Rande mit Silber ein und gebrauchen sie bei den 
stattlichsten Gelagen als Becher. 
2. Aus der Germania des Tacitus? 
Die Römerkriege. 2. Abteilung. Geschichtschreiber der deutschen Vorzeit. 
Leipzig, Duncker. 2. Bd. S. 175. 
Das Land, obwohl es ziemliche Abwechslung darbietet, ist im ganzen 
doch von rauhen Wäldern oder schmutzigen Sümpfen bedeckt; der Nässe ist 
es mehr nach Gallien, den Winden mehr nach Noricum und Pannonien hin 
ausgesetzt. Für Getreidesaat ist es ergiebig, doch Obstbaume trägt es nicht. 
Vieh bringt es viel hervor, doch ist dieses meistens unansehnlich. Nicht einmal 
das Rindvieh behauptet seine stattliche Gestalt und den Schmuck der Stirne; 
nur die Zahl freut die Germanen, das ist ihr einziger, liebster Schatz. Ob 
Huld oder Zorn der Götter ihnen Silber und Gold versagt hat, weiß ich 
nicht. Doch möchte ich nicht behaupten, daß keine Gebirgsader Germaniens 
Silber oder Gold hervorbrächte; denn wer hat danach gesucht? Besitz und 
Gebrauch wirkt auf die Germanen nicht wie sonst. Man kann bei ihnen silberne 
Gesäße, die ihre Gesandten und Fürsten als Geschenke erhielten, neben irdenem 
1 Publius Cornelius Tacitus, der hervorragendste Geschichtschreiber der 
römischen Kaiserzeit, lebte von 54—120 n. Chr. Unter Domitian war er Prätor, unter 
Trajan Konsul. Sein Schwiegervater war Agricola, der in Britannien die Römerherrschaft 
befestigte (78—84), aber von dem argwöhnischen Domitian zurückgerufen wurde. Tacitus 
schilderte auf Grund sorgfältiger Beobachtungen die Germanen und ihr Land und hinter¬ 
ließ uns in seiner „Germania" die wertvollste Quelle für die Kenntnis der alten Deutschen. 
Der sittenstrenge Verfasser hielt diese Schilderung den entarteten Römern gleichsam als 
Spiegel vor, doch verschwieg er auch die Fehler der Deutschen nicht. — Seine „Annalen" 
behandeln die Jahre 14—69; seine „Historien" schildern die Geschichte seiner Zeit. 
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