Full text: Quellenbuch für den Geschichtsunterricht

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Tacitus: Germania. 
Geschirr zu gleich niedrigem Dienste bestimmt sehen, obwohl bte Grenz¬ 
stämme wegen des Handelsverkehrs Gold und Silber zu schätzen wissen und 
einige von unseren Geldstempeln anerkennen uud darunter wählen. Die 
Binnenvölker treiben nach einfacher, alter Art Tauschhandel. Das Geld 
gesällt ihnen, wenn es alt und lange bekannt ist: Denare mit zackigem 
Rande oder mit dem Bigastempel? Auch gehen sie mehr aus Silber als 
auf Gold aus: keineswegs aus besonderer Vorliebe, sondern weil die größere 
Zahl der Silbermünzen ihnen zum Gebrauch bequemer ist, da sie gewöhn¬ 
liche und billige Waren einhandeln. 
Selbst Eisen haben sie nicht im Überfluß, wie aus der Art ihrer 
Waffen zu schließen ist. Wenige brauchen Schwerter oder größere Lanzen; 
Speere oder, wie sie sie nennen, Frameen führen sie, mit einer schmalen 
und kurzen Eisenspitze, so scharf jedoch und zum Gebrauch so handlich, daß 
sie mit derselben Waffe, je nachdem es die Umstände erfordern, aus der 
Nähe sowohl als aus der Ferne kämpfen. Der Reitersmann begnügt sich 
mit Schild und Framea; die Fußkämpfer entsenden auch Wurfgeschosse, 
jeder mehr als eines, und schleudern sie, nackt oder in einem leichten 
Mantel, unglaublich weit. Prahlerischen Schmuck kennen sie nicht; nur die 
Schilde bemalen sie mit den gewähltesten Farben. Wenige haben Panzer; 
kaum bat einer oder der andere eine Pickelhaube oder einen Helm. Die Pferde 
sind nicht durch Gestalt, nicht durch Schnelligkeit ausgezeichnet. Ja, nicht 
einmal um Volten 2 zu machen, wie es bei uns Sitte ist, werden sie geschult; 
sie lassen sie geradeaus oder in ununterbrochener Schwenkung rechts herum 
gehen in einem so fest geschlossenen Kreise, daß keiner der letzte ist. Im 
allgemeinen zu urteilen, wohnt mehr Kraft dem Fußvolke bei. Deshalb kämpfen 
die Germanen untermischt; denn leicht fügen und schmiegen sich in den Reiter¬ 
kampf die gewandten Fußkämpser, die sie aus der gesamten jungen Mann¬ 
schaft auswählen und vor der Schlachtreihe aufstellen. Fest bestimmt ist 
auch ihre Zahl: je hundert sind es aus jedem Gau, und eben diese Be¬ 
zeichnung führen sie unter den Ihrigen. Was zuerst Zahl war, ist nun 
schon Ehrentitel und Rang. Die Schlachtreihe wird in Keilen aufgestellt. 
Vom Platze zu weichen, wenn man nur wieder zum Angriff umkehrt, gilt 
mehr für klug als für feige. Die Leichen der Ihrigen retten die Germanen 
auch aus bedenklichen Schlachten. Den Schild im Stiche gelassen zu haben, 
ist die größte Schandtat: weder beim Opser gegenwärtig zu sein, noch die 
Ratsversammlung zu betreten, ist dem Beschimpften verstattet, und viele 
die den Krieg überlebten, haben ihrer Schmach mit dem Stricke ein Ende 
gemacht. 
* Bigati waren römische Silbermünzen, die auf der einen Seite eine geflügelte 
Viktoria auf dem Zweigespann (biga) zeigten. 
2 Volten sind in der Reitkunst rasche, kreisrunde Wendungen der Pferde.
	        
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