Full text: Quellenbuch für den Geschichtsunterricht

Jordanes: Attila und die Schlacht auf der Katalaunischen Ebene. 
strafte er sie nach dem Lose. Von denen, die noch nicht fünfunddreißig 
^ahre eilt waren, ward immer der fünfte, von den älteren immer der zehnte, 
wen gerade das Los traf, seines Vermögens beraubt und sür ehrlos erklärt; 
zuletzt, aly sehr viele auch so noch ihre Pflicht nicht taten, wurden einige 
hingerichtet. Nachdem er aus den schon Ausgedienten und Freigelassenen 
möglichst viele durch das Los ausgehoben hatte, schickte er sie sofort 
schleunigst unter Tiberius nach Germanien. Da aber in Rom zahlreiche 
Gallier und Germanen lebten, teils als Fremde, teils als Soldaten der 
Leibwache, fürchtete er, sie könnten sich empören; deshalb schickte er einen 
Teil auf verschiedene Inseln und befahl den anderen, ohne Waffen die 
Stadt zu verlassen. 
4. Attila und die Schlacht auf der Katalaunischen Ebene. 
Aus der Gotengeschichte des 3oröanes.1 
Geschichtschreiber der deutschen Vorzeit. Leipzig, Duncker. 1883. 5. Bd. S. 58. 
9tachvem Attila seinen Bruder Bleda, der über einen großen Teil der 
Hunnen geherrscht, heimtückisch ermordet hatte (445), vereinigte er das ganze 
Volk unter seinem Zepter; und nachdem er die anderen Völker, die ihm 
damals untertan waren, in großer Anzahl versammelt hatte, war sein 
sehnlichster Wunsch der, die ersten Völker der Welt, die Römer und West¬ 
goten, zu unterwerfen. Sein Heer soll fünfhunderttausend Mann stark 
gewesen sein. Er war ein Mann, dazu geschaffen, die Welt zu erschüttern, 
der Schrecken aller Lander, der auf eine unerklärliche Weife alles in Furcht 
setzte durch den schrecklichen Ruf, der über ihn verbreitet war. Stolz schritt 
er einher und ließ nach allen Seiten die Augen schweifen, damit die Macht, 
die der hochmütige Mensch innehatte, auch in feiner Körperbewegung sich 
geigte. Er war ein Liebhaber der Kriege, aber persönlich zurückhaltend; 
seine L-tärke lag in seiner klugen Umsicht. Gegen Bittende war er nicht 
hart unb gnädig gegen die, welche sich ihm einmal unterworfen hatten. Er 
war klein von Gestalt, breitschulterig, bickköpfig, hatte kleine Augen, spärliches 
•Batthaar mit Grau untermischt, eine platte Nase, bunfle Hautfarbe unb 
trug bie Kennzeichen feines Ursprungs. Wenngleich er schon von Natur eine 
große Siegeszuversicht hegte, so erhöhte both ber Fund des Schwertes des 
Mars noch sein Selbstvertrauen; dasselbe hatte immer bei den Königen 
ber Skythen für heilig gegolten. Der Geschichtschreiber Priskus berichtet, 
daß es bei folgender Gelegenheit entdeckt worden fei. Als ein Hirte ein 
Kalb unter feiner Herde hinken sah, ohne den Grund einer so bedeutenden 
1 Jordanes, geboren um 500, war mit dem Königsgeschlechte der Amaler ver¬ 
wandt und Notar am ostgotischen Hose. Später trat er in den, geistlichen Stand ein 
<r'üar wahrscheinlich zuletzt Bischof von Kroton. Sein Buch: „Über den Ursprung und 
die ~aten der Goten" ist ein Auszug der verloren gegangenen Werke des Cassiodorus und 
anderer Geschichtschreiber.
	        
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