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Gregor von Tours: Chlodowechs Bekehrung.
Gelder als Wegzehrung belassen, die sie in den Kastellen Italiens jeder
früher für sich aufgespart hätten. Hierüber ging Narses mit sich zu Rate.
Johannes aber, Vitalians Neffe, redete ihm zu, diese Bitte zu gewähren,
nicht weiter mit Männern zu kämpfen, für die der Tod keinen Schrecken
hätte, und nicht den Mut der Verzweiflung auf die Probe zu stellen, der
nicht nur für jene, sondern auch für ihre Gegner noch verhängnisvoll werden
könne. „Der Mann der weisen Mäßigung," sagte er, „läßt sich am Siege
genügen, übermäßige Anstrengung aber könnte leicht auch zum Verderben
ansschlagen." Narses billigte diese Ansicht, und es wurde ausgemacht, die
übriggebliebenen Barbaren sollten mit all ihrer Habe sofort ganz Italien
meiden und unter keinen Umständen mehr die Waffen gegen die Römer
tragen. Mittlerweile brachen 1000 Goten aus dem Lager hervor und
begaben sich nach der Stadt Tidnum und den Ortschaften jenseits des Po,
geführt unter anderen von Jndulf, dessen ich früher Erwähnung getan habe;
die übrigen beschworen sämtlich den Vertrag. Auf dieselbe Weise nahmen
die Römer auch Cumä und alle übrigen Ortschaften, und das achtzehnte
Jahr dieses Gotenkrieges, den Prokop beschrieben hat, ging zu Ende.
7. Chlodowechs Bekehrung.
Gregor von Tours/ Zehn Bücher fränkischer Geschichte.
Geschichtschreiber der deutschen Borzeit 2. Gesamtausgabe. Leipzig, Dyk. 1878.
8. Bd. S. 89.
Die Königin Chlodechilde ließ nicht ab, in ihren Gemahl, den König
Chlodowech, zu dringen, daß er den wahren Gott erkenne und von den Götzen
ablasse. Aber auf keine Weise konnte er zum Glauben bekehrt werden, bis
er endlich einmal in einen Krieg mit den Alamannen geriet. Da zwang
ihn die Not, zu bekennen, was sein Herz vordem verleugnet hatte. Als die
beiden Heere zusammenstießen, kam es zu einem gewaltigen Blutbade, und
Chlodowechs Heer war nahe daran, völlig vernichtet zu werden. Als er
das sah, erhob er seine Augen zum Himmel, sein Herz wurde gerührt, seine
Augen füllten sich mit Tränen, und er sprach: „Jesus Christus, Chlodechilde
sagt, du seiest der Sohn des lebendigen Gottes, du brächtest Hilfe den Be-
drängten und verliehest Sieg denen, die auf dich hoffen; demütig beuge ich
mich vor dir und erflehe deinen mächtigen Beistand. Gewährst du mir jetzt
den Sieg über diese inane Feinde, und erfahre ich so jene Macht, die das
Volk, das deinem Namen sich weiht, an dir erprobt zu haben rühmt, so
1 Gregor von Tours flammte aus einer vornehmen römischen Familie, wurde
um 540 geboren und starb 594. Im Jahre 573 wurde er Bischof von Tours. Wegen
seiner Frömmigkeit und Gelehrsamkeit stand er bei den Frankenkönigen Sigbert, Guntram
und Cbildebert II. in hohem Ansehen uud trat den Gewaittätigkeiten des Königs Cbilperich
von Soissons und der Fredeguude mutig entgegen. Sein Hauptwerk ist die „Geschichte
der Franken in lü Büchern", die als Quelle für die Zeit bis 591 von großer Bedeu¬
tung ist.