Konrads III. Brief an Abt Wibald über den Kreuzzug. 57
anderen Reichskleinode übersenden und die am stärksten befestigten Burgen,
die er besitze, seinen Händen überliefern. Jener zögerte nicht, alles, was er
ihm besahl, zu vollziehen, und schlug das Reich nicht höher an als sich selbst.
Allein auch damit war man noch nicht zufriedengestellt; der Kaiser
sollte persönlich erscheinen und öffentlich vor allen der Regierung entsagen.
So kam er denn, nicht in seiner Machtfülle, sondern als Gefangener herbei¬
geführt (nach Ingelheim am 31. Dezember 1105). Er allein stand vor
jenen, die kurz vorher vor ihm gestanden hatten. Er hatte nicht das freie
Wort einer Rechtsverhandlung, sondern sprach, wie die Lage eines Gefangenen
ihn zu sprechen nötigte. Befragt wegen einer freiwilligen Entsagung des
Thrones, antwortete er, nicht wie er wollte, sondern wie er mußte: Er gebe
die Regierung auf, nicht durch Gewalt gezwungen, sondern aus freien Stücken;
ihm fehlen schon die Kräfte, des Reiches Zügel zu lenken; er fühle schon
keine Sehnsucht mehr nach der Herrschaft; denn durch eine lange Erfahrung
sei er belehrt worden, daß sie mehr Mühsal als Ruhm gewähre; es sei
Zeit, daß er die Würde samt der Bürde niederlege und für seine Seele
sorge, nur möge ihm sein Sohn nichts derartiges antun, was sowohl den
Täter wie den Erdulder schände.
Die Sprache des Kaisers und sein Mißgeschick rührten viele zu seufzen
und zu weinen; den Sohn aber vermochte die Natur selbst nicht zum Mit¬
leid zu bewegen.
Heinrich fand in Lüttich beim Bischof Otbert eine Zuflucht; hier starb er am
7. August 1106.
20. Konrads III. Brief an Abt Wibald über den Kreuzzug.
Aus: Krämer, Historisches Lesebuch über das deutsche Mittelalter. Leipzig, Teubuer.
1882. S. 265.
Kuonrad, von Gottes Gnaden König der Römer, dem ehrwürdigen
Wibald, Abt von Komi und Stablo, seine Gnade und alles Gute.
Da wir deine Treue, die du oft gegen uns und unser Reich bewiesen
hast, durch viele Erfahrungen erkannt haben, so zweifeln wir nicht, daß du
dich sehr freuen wirst, wenn du von der Erfreulichkeit unserer Lage hörst.
Wir teilen daher dir als unserem Getreuen folgendes mit. Als wir nach
Nicäa mit wohlbehaltenem und zahlreichem Heere gelangt waren und den
Zug baldigst beendigen wollten, so begannen wir in gerader Richtung, welche
uns die des Weges kundigen Führer zeigten, gen Jkonium zu marschieren,
indem wir dorthin fortwährend das Notwendige mitführten, soviel wir ver¬
mochten. Und siehe, als wir bereits zehn Tagemärsche zurückgelegt hatten
und noch ebenso viele uns übrig waren, waren die Lebensmittel fast allen,
zumeist den Reitern, ausgegangen; da griffen die Türken den Troß zu Fuße,
der dem Heere nicht folgen konnte, unaufhörlich an und hieben sie nieder